7. Dezember 2018, Wintersession: Der Bundesrat präsentiert das Rahmenabkommen. Nach fast fünf Jahren Geheimniskrämerei liegt ein Text auf dem Tisch. Die Reaktionen sind mehrheitlich ablehnend. «Übung abbrechen» fordert danach Christian Levrat. Keine Chance habe dieser Vertrag, sagen Parteien und Medien mit wenigen Ausnahmen.
Das Wiedererwachen der Europa-Koalition
4. März 2019, Frühlingssession: Das Rahmenabkommen ist in der «Konsultation». Wenige Tage nachdem die FDP-Fraktion überraschend ein «Ja aus Vernunft» beschlossen hat, gibt sich auch der SP-Präsident plötzlich gesprächsbereit. Die SP sei bereit, «alle offenen Fragen» mit CVP und FDP zu besprechen.
Langsam scheint bei den Parteien der Realitätssinn zu erwachen. Wer den Bilateralen Weg beschwört, um nicht der EU beitreten zu müssen, dürfte irgendwann zur Einsicht kommen: Trotz Unzulänglichkeiten ist dieses Rahmenabkommen die wohl einzige Brücke, um den bald 20 Jahre alten Weg in die Zukunft zu führen und das Verhältnis mit der EU nicht aufs Spiel zu setzen.
Einsicht aus verschiedenen Gründen
Die FDP war im Dilemma zwischen Souveränität und Wirtschaft und entschied sich nach anfänglich grossen Zweifeln gegenüber einer institutionellen Anbindung für stabile wirtschaftliche Verhältnisse mit unseren Nachbarn. Wen wundert’s?
Die gespaltene CVP sagte schon nach einer Retraite Mitte Januar grundsätzlich Ja zum Rahmenabkommen. Doch das «Aber» war gross. Heute scheint das «Ja» zu überwiegen. Die CVP möchte dieses «Ja» mit etwas Konstruktivem verbinden. Sie fordert ein Begleitgesetz zum Rahmenabkommen. Dieses soll Parlament und Volk bei neuem EU-Recht schon ganz früh mehr Mitsprache bringen. Wenn wir schon «dynamisch» neues EU-Recht übernehmen müssen, dann wollen wir nötigenfalls nein sagen können.
Der sich abzeichnende Gesinnungswandel in der SP ist erstaunlich. Doch auch dieser war wohl voraussehbar. Die frühe und konsequente Positionierung zum Lohnschutz ohne Rücksicht auf Verluste hat die Sozialdemokraten in eine Sackgasse geführt. Die SP als EU-kritische Protestpartei an Seite mit der SVP, das ging eigentlich nie! Das beklagten hohe SP-Vertreter hinter vorgehaltener Hand seit Wochen. Verschiedene Faktoren dürften zum jetzigen Schwenker der SP geführt haben: Schlechte Umfrageergebnisse, die Kritik von der Basis oder von den alt Exekutivpolitikern Dreifuss und Notter dürften der SP-Spitze zugesetzt haben. Der Parteiwechsel von Chantal Galladé kurz vor den Zürcher Wahlen hat wohl das Fass zum Überlaufen gebracht. Noch vertritt die SP gegen aussen eine harte Haltung zum Lohnschutz, doch die Weichen für einen Kompromiss sind gestellt.
Immer gegen das Rahmenabkommen war die SVP. Und sie ist es auch heute noch. Das ist konsequent. Wenn sie sich derzeit ziemlich ruhig verhält, liegt das wohl daran, dass es für den Angriff noch zu früh ist. Wenn es irgendwann 2020/2021 Richtung Volksabstimmung geht, dürfte man von der Volkspartei wieder Eindeutiges und Klares hören.
Jetzt geht's um Timing
Fazit: Links bis Rechts – SVP ausgenommen – beginnt sich langsam für ein Rahmenabkommen auszusprechen. Der Bundesrat dürfte wohl bald folgen. Die offene Frage ist, wann und wie er gegenüber der EU sein «Ja» zum Rahmenvertrag überbringen wird und was er mit Brüssel noch klären kann. Genau dieses «Timing» und das «Wording» dürften am Schluss entscheidend sein.