Das Städtchen am Eingang zum Berner Oberland ist schmuck, hat eine historische Altstadt, viele Läden, Restaurants, familiäre Quartiere, einen Autobahnanschluss, Aare und Thunersee und auch die Berge sind zum Anfassen nah. Darum wollen viele dort wohnen – das hat Konsequenzen für den Wohnungsmarkt.
Die Leerwohnungsquote in Thun ist deutlich tiefer als in den meisten Schweizer Städten, abgesehen von Zürich.
Eine tiefe Leerwohnungsquote ist nicht per se ein Problem, sagt der Immobilienexperte Donato Scognamiglio: «Eigentlich ist die tiefe Quote primär ein Zeichen, dass die Stadt sehr begehrt ist und die Leute gerne dort wohnen.» Dennoch werde die theoretische Ziffer in der Praxis ein Problem, wenn Mieterinnen und Mieter kein geeignetes Zuhause finden.
Endlose Wohnungssuche strapaziert Nerven
Wie mühsam die Wohnungssuche ist, weiss Nadja (Name geändert) bestens. Seit neun Monaten durchkämmt sie zusammen mit ihrem Partner regelmässig das Internet auf der Suche nach einer neuen Wohnung.
Punkto Ausbaustandard sind wir grundsätzlich nicht anspruchsvoll.
Sie klickt sich durch Wohnungsinserate, durch die wenigen, die es gibt: «Wir hatten in dieser Zeit lediglich zwei Inserate gefunden, die für uns interessant gewesen wären. Bei beiden Inseraten konnten wir die Wohnung nicht besichtigen, weil sie innerhalb von wenigen Stunden bereits vergeben war.»
Eine Auswertung durch Immoscout24 für Radio SRF zeigt: In Thun hat es im Vergleich mit anderen Berner Städten wie Biel oder Bern im Verhältnis weniger Wohnungsinserate auf der Onlineplattform. Und die Inserate sind auch nur kurz online: In Thun sind es nur 30 Tage. In Biel sind es dagegen rund 50 Tage.
Die Lösung für das Wohnungsproblem liegt auf der Hand: neue Wohnungen müssen gebaut werden. Schnell. Aber: «Nichts, was mit Bauen zu tun hat, geht schnell», so der Experte Scognamiglio. Das weiss natürlich auch die Thuner Stadtplanerin Susanne Szentkuti: «Ja, wir haben Nachholbedarf.»
In den letzten Jahren seien extrem wenig neue Wohnungen gebaut worden, das sei die Ursache für den Wohnungsmangel heute. Abhilfe schaffen will die Stadt nun unter anderem mittels einer Ortsplanungsrevision. «Wir schaffen nun die rechtlichen Grundlagen, damit man wieder mehr baut.» Konkret heisst das: Künftig gibt es mehr Möglichkeiten zur Aufzonung und der bestehende Siedlungsraum wird verdichtet. Eine Einzonung gegen aussen sei hingegen keine Option: «Wir haben innen noch gute Reserven, ohne die Lebensqualität zu verlieren», so Szentkuti.
Thun ist beliebt. Nicht erst seit heute. Die tiefe Leerwohnungsquote ist auch kein neues Phänomen, seit einigen Jahren liegt Thun stets unter dem Schweizer Durchschnitt.
Jetzt aber bleibt vielen – vor allem jungen Familien – keine andere Möglichkeit, als aufs Land auszuweichen. Das bereitet der Stadt Sorgen, auch den beiden grössten Parteien im Parlament.
«Es steht nirgends geschrieben, dass man das Recht hat, in Thun zu wohnen», sagt Valentin Borter, Präsident der SVP Thun. «Aber dennoch ist es die Aufgabe der Politik, genügend Wohnraum bereitzustellen.» Auch der SP ist wichtig, dass es in Thun mehr Wohnungen gibt. Aber nicht um jeden Preis, sagt Co-Fraktionspräsident Adrian Christen: «Wir wollen vor allem auch, dass es bezahlbaren Wohnraum gibt – Wohnungen, die man auch mit tieferen Einkommen bezahlen kann.»