- In St. Moritz sind die Kaufpreise für Wohnungen und Häuser gemäss Wüest Partner während der Pandemie um 16.9 Prozent gestiegen.
- Viele Gemeinden im Engadin kämpfen mit akuter Wohnungsnot. Einheimische und Tourismuspersonal finden keinen bezahlbaren Wohnraum.
- Preistreiberin ist die Pandemie, die besonders bei Schweizer Käufern den Wunsch nach Wohneigentum in den Bergen verstärkte.
Immobilienmaklerin Maura Wasescha weiss, was Millionäre und Milliardäre in St. Moritz mögen: den Blick auf den St. Moritzer See und Luxus pur. Eine der raren Eigentumswohnungen, die sie zurzeit anbietet, ist für 12 Millionen Franken zu haben. Die 180 Quadratmeter-Wohnung mit einer exklusiven Terrasse wird wohl nicht lange im Markt bleiben. «In derselben Überbauung sind auch andere Wohnungen zu noch höheren Preisen verkauft worden», sagt die Immobilienmaklerin. «Das Interesse ist gross.» Die Preise steigen, die Nachfrage ebenfalls – auch bei sehr teuren Objekten.
Kündigungen bei Mietwohnungen
Der Immobilien-Boom im touristischen Hotspot hat Schattenseiten. Im weniger mondänen St. Moritz Bad erhielten die Bewohner eines Mietshauses aus den sechziger Jahren die Kündigung. Das Haus wird saniert und die Wohnungen umgebaut. Für die gekündigten Mieterinnen und Mieter eine neue bezahlbare Wohnung zu finden ist ein schwieriges Unterfangen. Rentnerin Katharina Meier wohnt seit Jahrzehnten in diesem Haus. Ihr bleibt eine einjährige Übergangsfrist, doch ihre Lage lässt sie verzweifeln. «Ich habe überall gesucht und finde trotzdem nichts», sagt Katharina Meier. «Ehrlich gesagt: Ich bin verloren.»
St. Moritz ist nicht die einzige Engadiner Gemeinde, in der Wohnraum Mangelware ist. Sils, rund 10 Kilometer von St. Moritz entfernt, will dieser Entwicklung nun einen Riegel schieben. Mit einer speziellen Planungszone. Das heisst: Für die nächsten zwei Jahren werden Umnutzungen von Erst- zu Zweitwohnungen eingeschränkt. In dieser Zeit will die Gemeinde einen Weg finden, die Wohnungsnot wirksam zu bekämpfen. Gemeindepräsidentin Barbara Aeschbacher sagt: «Es ist völlig klar, dass jetzt etwas passieren muss. Dafür braucht es verschiedene Massnahmen.»
Anstieg von Handänderung- und Grundstückgewinnsteuer
Der St. Moritzer Gemeindepräsident Christian Jott Jenny findet die Einführung einer Planungszone für St. Moritz die falsche Massnahme. Auch er sieht jedoch Handlungsbedarf. Eine Lösung für das Problem zeichnet sich jedoch nicht ab. Gleichzeitig profitiert die Gemeinde vom Immobilien-Boom.
Im vergangenen Jahr nahm sie insgesamt über 35 Millionen Franken Handänderungs- und Grundstückgewinnsteuer ein. Mehr als doppelt so viel wie 2019, noch vor der Pandemie. Müsste das Geld nicht eingesetzt werden, damit Einheimische mehr bezahlbaren Wohnraum finden? «Es wird auch eingesetzt», sagt Christian Jott Jenny, «aber wenn man kein Grund und Boden hat, den man verwenden kann, dann nützt alles Geld nichts.»
Goldrausch hält an
Inflationsängste und die anhaltende Tiefzinspolitik heizen den Immobilienmarkt weiter an. Maura Wasescha hofft auf die goldene Mitte. «Sowohl Einheimische wie auch Touristen braucht es hier oben. Denn schliesslich leben wir hier von den Touristen». Knapper Wohnraum und die steigende Nachfrage sorgen dafür, dass der Goldrausch in St. Moritz anhält. Ein Goldrausch mit Gewinnern und Verlierern.