Der wichtigste Treiber des Immobilienbooms sind die tiefen Zinsen. Diese würden auch noch länger tief bleiben, sagt Martin Neff, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz. Er glaubt nicht, dass die Zinsen hierzulande bald stark steigen und den Boom abwürgen. «Von der Zinsseite her erwarte ich keinen massiven Bremseffekt.» Die Preise für Immobilien dürften weiter klettern. Ein Ende der Entwicklung sei nicht abzusehen.
Das bedeutet aber auch, dass immer grössere Bevölkerungskreise faktisch ausgeschlossen sind vom Eigenheimmarkt. Ein Haus oder eine eigene Wohnung können sie sich kaum leisten. Viele Normalverdienende seien heute nicht mehr wohneigentumsfähig, sagt Neff, und rechnet vor.
Jahreseinkommen von 120'000 erforderlich
Will jemand beispielsweise für eine Million Franken ein Haus kaufen, braucht er oder sie mindestens 120'000 Franken Jahreseinkommen. So viel ist grob gesagt nötig, um die Bestimmungen der Banken für den üblichen Hypothekarkredit zum Haus für eine Million zu erfüllen. Hinter diesem Betrag stehen Regeln für die sogenannte Tragbarkeit der Kredite.
Sie gelten, damit sich die Leute nicht zu stark verschulden. «Diese 120'000 Franken, die sie verdienen müssen, sind etwas höher als das durchschnittliche Haushaltseinkommen in der Schweiz», so Neff. «Und ein Einfamilienhaus unter eine Million finden sie faktisch nicht mehr.»
Das sei schon mal die erste Erklärung, weshalb sehr viele Leute aus dem Markt fallen, so der Ökonom weiter. Zusätzlich erforderlich ist ein beträchtliches Eigenkapital, also Erspartes. In Neffs Rechenbeispiel sind das noch einmal 100'000 Franken Vermögen auf der hohen Kante.
Beim Vermögen kommt das Erbe ins Spiel
Auch dieses Eigenkapital setzt die Bank für den Kredit voraus. Und hier, sagt Neff, kommt das Erbe ins Spiel. In der Praxis würden oft die Eltern von jungen Familien das nötige Geld einschiessen, und zwar in der Form eines Erbvorbezugs. Darunter sei zu verstehen, «dass der Vater, die Mutter, der Grossvater noch zu Lebzeiten einen Teil des Vermögens den Nachkommen ‹vererbt›. Das ist eigentlich nichts anderes, als ein Teil des Ersparten schon vor dem Tod den Kindern zur Verfügung zu stellen.»
Dass solche Erbvorbezüge recht verbreitet sind, erklärt auch, warum heute oft Käuferinnen und Käufer von Eigenheimen jünger sind als 50. Sie haben das Geld von den Eltern erhalten. Diese Vermögensübertragung zwischen den Generationen sei so bedeutend, dass Neff von einer Erb-Preisspirale am Immobilienmarkt spricht.
Erb-Preisspirale verstärkt die Ungleichheit
Fast 100 Milliarden Franken würden laut Schätzungen jährlich in der Schweiz vererbt, ein stattlicher Teil davon seien Erbvorbezüge. Selbstverständlich, sagt der Raiffeisen-Ökonom, verstärkt die Erb-Preisspirale die Ungleichheit am Immobilienmarkt. Wer das Privileg vermögender Eltern habe, geniesse einen zusätzlichen Vorteil.
«Man kann davon ausgehen», so Neff, «dass sich Kinder aus etwas vermögenderen Haushalten tendenziell auch höhere Ausbildungsniveaus erschliessen können, entsprechend mehr verdienen und dann auch noch das Glück haben, dass allenfalls Mama, Papa oder wer auch immer noch etwas auf die Seite geschafft haben, und ihnen das zusätzlich vererben.»
Und je mehr von diesem vererbten Vermögen in den Immobilienmarkt fliesst, desto stärker können dann auch die Preise für Häuser und Wohnungen in der Schweiz weiter nach oben klettern.