Wie viel teurer werden die Waren und Dienstleistungen in der Schweiz dieses Jahr? Die Schweizerische Nationalbank SNB geht in ihrer letzten Prognose von einer Inflationsrate von 1 Prozent aus. Allerdings: Aktuell liegt die Teuerung in der Schweiz bei 1.5 Prozent. Im Ausland ist sie sogar noch deutlich höher: Die USA verzeichnen eine Inflationsrate von 7 Prozent, der Euroraum von 5 Prozent.
Die Raiffeisenbank hat ihre Prognose für 2022 denn auch auf 1.5 Prozent erhöht. Auch Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank EZB, sagte kürzlich, man habe die Inflation unterschätzt. Muss also auch die SNB ihre Prognose nach oben korrigieren?
Wir gehen davon aus, dass die Inflation jetzt auf dem Höhepunkt ist und nachher langsam zurückgeht.
Präsident Thomas Jordan sieht dazu keinen Anlass. Im Moment sehe es so aus, als ob die Prognose «grosso modo» weiterhin gültig sei, sagt er im «Eco Talk». Sollten die Ölpreise weiter steigen, sei es zwar möglich, dass auch die Teuerung in der kurzen Frist noch etwas zunehme. «Aber insgesamt gehen wir davon aus, dass die Inflation jetzt mehr oder weniger auf dem Höhepunkt ist und nachher langsam wieder zurückgeht», sagt Jordan.
Einen Anlass zu Zinserhöhungen gibt es laut Jordan in der Schweiz deshalb noch nicht. Sollte sich allerdings zeigen, dass die Inflationsprognose «hartnäckig oberhalb von zwei Prozent» liege, müsste die Geldpolitik gestrafft werden. Die SNB spricht dann von Preisstabilität, wenn die Teuerung höchstens zwei Prozent pro Jahr beträgt.
«Sozial schwächere Gruppen» leiden
Die aktuelle Entwicklung zeige allerdings, wer unter steigenden Preisen am meisten leide: «Das sind vor allem Gruppen mit tiefen Einkommen, sozial schwächere Gruppen», so Jordan. Das Mandat der SNB, die Preisstabilität zu gewährleisten, sei deshalb sehr wichtig, «insbesondere für die soziale Gerechtigkeit und den sozialen Frieden».
Der Franken ist in gewisser Weise ein Schutzwall gegen die Inflation – wenn auch kein perfekter.
Dass die Inflation in der Schweiz deutlich tiefer ist als im Ausland, hat laut dem SNB-Präsidenten drei Gründe. Erstens verweist er auf den Anteil der Energiekosten am Warenkorb, der in der Schweiz kleiner ist als in anderen Ländern. Zweitens sei die Geldpolitik in der Schweiz zwar expansiv, im Ausland sei sie aber noch expansiver. Und drittens habe die Aufwertung des Frankens die Inflation tief gehalten.
Konkret wird der Euro derzeit für 1.04 Franken gehandelt – der Franken ist also so stark wie seit 2015 nicht mehr. Doch während die Frankenstärke damals zu einem Schock führte, scheinen die Auswirkungen heute viel geringer zu sein. Der Grund: Weil die Inflation im Ausland so viel höher ist als in der Schweiz, kann der Franken nominal aufwerten, ohne dass er real stärker wird. Der Franken sei also in gewisser Weise ein Schutzwall gegen die Inflation, sagt Jordan - «wenn auch kein perfekter».