«Bitte spülen!», heisst es beim Zahnarzt. Aber nicht nur für die Mundspülung kommt Wasser zum Einsatz. Es wird auch als Kühlmittel für Bohrer, Fräser und Polierer benutzt.
Da darf die Patientin eigentlich annehmen, das Wasser sei hygienisch einwandfrei. Doch Labordaten, die «Kassensturz» zugespielt wurden, zeigen etwas anderes: Von über 260 Wasserproben aus 21 Zahnarztpraxen in der Deutschschweiz waren 57 Prozent verunreinigt. Viele Proben weisen teilweise Werte von mehreren Zehn- bis Hunderttausend sogenannten Keimbildenden Einheiten (KBE) pro Milliliter Wasser auf. In einem Fall gar über eine Million KBE. Zum Vergleich: Beim Trinkwasser gilt ein Grenzwert von 300 KBE.
Experten sehen Handlungsbedarf
Samuel Steiner, Präsident der Kantonsapotheker-Vereinigung, zeigt sich gegenüber «Kassensturz» besorgt: «Ich war erschrocken über die teilweise sehr grossen mikrobiologischen Verunreinigungen. Bisher ging ich davon aus, dass das Spülwasser Trinkwasserqualität hat.»
Auch der Zürcher Kantonschemiker Martin Brunner sieht aufgrund der Resultate Handlungsbedarf: «Bei den gemessenen Keimen können natürlich auch solche dabei sein, die krank machen. Und das kann gefährlich werden.»
In deutschen Studien auch Legionellen nachgewiesen
Das Problem des unhygienischen Spülwassers ist in der Branche seit längerem bekannt. In Deutschland wurde schon mehrfach darüber berichtet. In einer Studie des hessischen Zentrums für Gesundheitsschutz aus dem Jahr 2013 wurden in jedem vierten untersuchten Zahnarztstuhl sogar Legionellen gefunden. Atmen Patienten die Bakterien über den feinen Wassernebel ein, kann das die sogenannte Legionärskrankheit auslösen – eine schwere Lungenkrankheit.
Zahnarztverband fühlt sich nicht zuständig
Das Problem: Für das Spülwasser in Zahnarztpraxen existieren keine verbindlichen Grenzwerte. Deshalb gibt es auch keine obligatorischen Kontrollen. Für den Berner Kantonsapotheker Samuel Steiner ist aber klar: «Die Zahnärzte müssen aktiv werden.» Die Hygiene-Taxpunkte würden nicht bloss für die Sterilisation von Praxis-Instrumenten gelten. Seine Lösung: «Es braucht klare Richtlinien und Checklisten, mit denen die Tests des Praxiswassers dokumentiert werden können.»
Solche Richtlinien existieren jedoch nicht. Die Schweizerische Zahnärztegesellschaft SSO empfiehlt ihren Mitgliedern lediglich ein Wasserdesinfektionssystem. Und die Dentaleinheiten morgens sowie nach längeren Unterbrüchen mindestens drei Minuten lang zu spülen.
Ausführliche Stellungnahme:
Die Gesellschaft zieht sich aus der Verantwortung und will auch nicht vor der «Kassensturz»-Kamera Stellung nehmen. In einem schriftlichen Statement heisst es unter anderem: «Es ist Sache der kantonalen Gesundheitsbehörden zu überprüfen, ob die gesetzlichen Pflichten eingehalten werden. Hier ist der SSO eine rechtliche Kontrollmöglichkeit verwehrt.»
Kassensturz, 18.02.2020, 21.05 Uhr