Sieben Jahre lang habe man mit der Schweiz über das institutionelle Rahmenabkommen verhandelt, sagt Andreas Schwab. Der CDU-Politiker aus Baden-Württemberg ist Vorsitzender der Schweiz-Delegation im EU-Parlament. Die Schweiz müsse sich die Frage stellen, wieso sie immer «ein paar Zückerle» mehr haben möchte, dafür gebe es keinen Grund. Die Schweiz könne nicht immer ein bisschen mehr als die anderen bekommen.
Problem Unionsbürger-Richtlinie
Der Bundesrat erachtet beim vorliegenden Vertragstext, den die EU als «fertig ausgehandelt» betrachtet, drei Punkte als ungenügend: Beim Lohnschutz, den staatlichen Beihilfen und der Unionsbürger-Richtlinie brauche es Nachbesserungen.
Laut mehreren Quellen ist die EU nicht bereit, in einer zusätzlichen Erklärung die Unionsbürger-Richtlinie ganz auszuklammern. Eine Übernahme dieser Richtlinie könnte für die Schweiz bedeuten, dass künftig EU-Bürger Anspruch auf Sozialhilfegelder hätten.
Ganz anders beurteilt aber der EU-Abgeordnete die Situation: Es habe in den letzten Monaten zahlreiche Klärungsgespräche gegeben. Aus Sicht der EU seien die Punkte geklärt. «Ich verstehe nicht, welche Klärungen die Schweiz noch gewollt hätte», sagt Andreas Schwab. «Das ist ein Stück weit ein Schwarzpeterspiel.»
Plan B gefordert
Doch viele politische Akteure, so auch Mitte-Parteipräsident Gerhard Pfister, sehen im Rahmenabkommen noch grundsätzlichere Probleme, nämlich die Übernahme von EU-Recht. Und die zentrale Rolle des EU-Gerichtshofs bei der Streitschlichtung. Damit verliere die Schweiz Souveränität.
Für Damian Müller, dem Präsidenten der Aussenpoltischen Kommission des Ständerats, ist klar: Der Bundesrat müsse jetzt an einer Alternative zum Rahmenabkommen arbeiten. «Ich erwarte vom Bundesrat, dass er einen Plan B vorlegt, wenn er Nein sagt zu diesem Rahmenabkommen.»
1972 unterzeichnete die Schweiz ein Freihandelsabkommen mit der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Ein aktualisiertes Freihandelsabkommen – würde das genügen als Plan B?
Nein, findet selbst SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. Der richtige Weg für die Schweiz sei die Beibehaltung der jetzigen bilateralen Abkommen, «auch wenn die SVP nicht von allen Verträgen begeistert ist», fügt er an.
Das Rahmenabkommen in den Aktenschrank legen – und dafür mit den jetzigen bilateralen Verträgen weiterfahren? Die Sache hat einen Haken: Es ist nicht sicher, ob die EU mitmachen und die bestehenden Verträge aufdatieren wird. «Das Verschieben des Rahmenabkommens führt nicht dazu, dass die Probleme entfallen», warnt denn auch der EU-Abgeordnete Schwab.
EU will nicht aufdatieren
Probleme könnte es etwa schon im Mai für die Medizinaltechnik-Branche geben. Die EU scheint nicht mehr gewillt, die Zertifizierung von Medizinaltechnik-Produkten in der Schweiz zu anerkennen. Der Export würde komplizierter.
Für SP-Fraktionschef Roger Nordmann ist es alles andere als sicher, ob die bilateralen Verträge noch Zukunft haben. Er befürchtet gar, «die Weiterentwicklung der bilateralen Verträge könnte blockiert werden».
«Keine verantwortliche Politik»
Der EU-Abgeordnete Andreas Schwab findet: Die Schweiz solle dem Rahmenabkommen nochmals eine Chance geben. «Es ist keine verantwortliche Politik, immer alles in die Zukunft zu verschieben.» Nach so langen Verhandlungen wäre es schade, «wenn jetzt alles den Bach runterginge».
Das Rahmenabkommen mit der EU steckt in einer Sackgasse. Doch ein sicherer Plan B scheint auch nicht in Griffweite.