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Keine Fristen für Mord Die Idee hinter der Verjährung

Der Ständerat hat sich mit der Verjährung von Morden befasst. Doch was ist die Idee dahinter? Ein Gespräch mit einem Strafrechtsexperten auch über die Folgen der Verjährung.

Wolfgang Wohlers

Strafrechtsprofessor

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Wolfgang Wohlers ist Professor für Strafrecht an der Universität Basel.

SRF News: Warum verjähren Straftaten?

Wolfgang Wohlers: Zum einen geht man davon aus, dass auch bei Straftaten grundsätzlich irgendwann Rechtsfrieden eintreten muss, weil man auch davon ausgeht, dass präventive Bedürfnisse, die mit Strafen befriedigt werden sollen, im Laufe der Zeit abnehmen. Zudem wird es immer schwieriger, die Straftaten nachzuweisen, je weiter sie zurückliegen: Zu einer Verurteilung kommt es eher selten.

Rechtsfrieden: Darum geht es

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Wenn eine Straftat begangen wird, führt das dazu, dass das direkte Opfer, aber auch die Öffentlichkeit als solche, von diesen Straftaten beunruhigt werden. Ein typisches Beispiel sind terroristische Akte. Da wird die Bevölkerung aufgerüttelt und fragt sich, ob die geltenden Normen überhaupt noch gelten, dass in diesem Beispiel keine Terrorakte verübt werden. Mit Strafen gegenüber den Tätern wird die (Fort-)Geltung der Norm bestätigt und das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung wieder hergestellt. Man geht aber davon aus, dass dieses Bedürfnis mit der Zeit abnimmt.

Ein Teil der Strafe ist auch die Vergeltung für die Opfer – die entfällt mit der Verjährung. Was bedeutet dies?

Das kann man nicht wegdiskutieren. Wenn wir sagen, wir wollen, dass gewisse Straftaten verjähren, dann spielen etwaige Vergeltungsbedürfnisse des Opfers ab dem Eintritt der Verjährung keine Rolle mehr. Auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass Opfer in Verfahren gezwungen werden können, wenn Delikte nicht mehr verjähren. Die Delikte, um die es geht, wenn wir von Unverjährbarkeit sprechen, sind zumeist Taten, die von Amtes wegen verfolgt werden müssen. Das heisst, auch wenn ein Opfer überhaupt kein Interesse mehr daran hat, muss es beispielsweise in einem Strafverfahren aussagen.

Es hat also zwei Seiten: Einerseits gibt es keine Vergeltung mehr, andererseits kann es ohne Verjährung sein, dass Opfer gezwungen werden, sich mit einer Sache erneut – und grundsätzlich auch in aller Öffentlichkeit – auseinanderzusetzen, mit der sie eigentlich schon abgeschlossen haben.

Ausnahmen

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Es gibt bereits heute Straftaten, welche in der Schweiz nicht verjähren. Dazu gehören unter anderem Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und terroristische Akte beispielsweise.  Aber auch gewisse sexuelle Handlungen mit Kindern können nicht verjähren.

Wie stark wird das Strafgesetz durch die Gesellschaft geprägt?

Das Strafrecht ist nicht etwas, das zeitlos ist und ausserhalb unserer Gesellschaft steht. Das Strafrecht ist ein Teil der Rechtsordnung. Diese gehört zu einer konkreten Gesellschaft. Das Strafrecht hat sich über die Jahre auch gewandelt. Es ändert sich so, wie sich auch die Gesellschaft ändert.

Statue einer blinden Justitia mit Schwert und Waage.
Legende: Wie lange soll die Justiz Verbrechen ahnden können? KEYSTONE/Str

Wo zeigt sich das?

Man hat derzeit den Eindruck, dass der Gesetzgeber die Hoffnung hat, mit Strafrecht etwas gesellschaftlich verändern oder Zeichen setzen zu können. Offenbar besteht die Vorstellung, dass mit einer Verschärfung des Strafrechts gesellschaftlich unerwünschte Verhaltensweisen unterdrückt werden können.

Wenn der Gesetzgeber die Verjährung für Mord aufhebt, kann er nicht ernsthaft damit rechnen, dass sich dies in einer Abnahme von Tötungsdelikten niederschlagen wird.

Dabei ist Strafrecht ein verhältnismässig teures Instrument und die Effektivität, um gewisse Verhaltensweisen zu unterdrücken, kann durchaus in Zweifel gezogen werden.

Wenn der Gesetzgeber die Verjährung für Mord aufhebt, kann er nicht ernsthaft damit rechnen, dass sich dies in einer Abnahme von Tötungsdelikten niederschlagen wird. Was der Gesetzgeber macht, ist: Er setzt ein Zeichen, er zeigt der Gesellschaft, dass er etwas tut. Dies mag dann, in dem einen oder anderen Fall tatsächlich dazu führen, dass ein als Mord zu qualifizierendes Tötungsdelikt auch nach Jahrzehnten noch geahndet werden kann.

Auf der anderen Seite wird es in einer Vielzahl von Fällen dazu kommen, dass das Verfahren letztlich doch zu keiner Verurteilung führt, weil die Beweislage nach langer Zeit nicht mehr ausreicht, um darauf eine Verurteilung stützen zu können, oder weil das Delikt nicht als Mord qualifiziert werden kann (und die damit verbleibende vorsätzliche Tötung verjährt ist).

Das Gespräch führte Noëmi Ackermann.

SRF 4 News, 13.3.25, 10 Uhr ; 

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