Das Ziel des Bundesrates wäre eigentlich klar: Alle zwei Wochen sollte sich die Zahl all jener, die positiv auf Covid-19 getestet werden, halbieren. Gesundheitsminister Alain Berset hat dies heute öffentlich nochmals bekräftigt.
Gemessen an diesem Ziel haben die bisherigen Massnahmen versagt. Denn die Zahl der gemeldeten Covid-Fälle halbiert sich mitnichten. Sie bewegt sich in einer ähnlichen Grössenordnung wie Ende November. Durchs seltenere Testen über die Feiertage sind die Zahlen zwar weniger belastbar als sonst. Aber ob sie nun stagnieren oder leicht sinken oder gar leicht steigen: halbieren geht anders.
Der Bundesrat lässt sich Zeit
Das beunruhigt den Bundesrat zwar, wie er ebenfalls öffentlich sagt. Doch mit Handeln lässt er sich Zeit. Heute hat er lediglich die Ausnahmemöglichkeiten für Kantone, bei denen es gesundheitlich etwas besser aussieht, gestrichen: Nun müssen also zum Beispiel sämtliche Kantone die Restaurants und Freizeitbetriebe schliessen.
Ansonsten aber hat die Regierung heute nichts beschlossen. Sie schlägt den Kantonen lediglich vor, die bestehenden Regeln bis Ende Februar zu verlängern. Jene Regeln also, die im besten Fall eine leichte Senkung gebracht haben, nicht aber eine Halbierung innert zwei Wochen.
Hochriskante Strategie
Entscheiden will der Bundesrat darüber in einer Woche. Und für den Fall, dass es eine Verschlechterung gibt, will er von den Kantonen und Sozialpartnern vorsorglich wissen, was sie von schärferen Massnahmen wie Ladenschliessungen oder Homeoffice-Pflicht halten würden.
Die Kantone anhören, auf aussagekräftigere Zahlen warten, beobachten: Eine zeitraubende Strategie, aus Sicht vieler Fachleute eine hochriskante Strategie - ganz besonders, weil auch in der Schweiz mutierte Formen des Virus zirkulieren, die sich höchstwahrscheinlich sehr viel schneller verbreiten als das bisherige. Warten und beobachten ging im Herbst bereits schief.
Kaum Sicherheitspolster
Unterdessen gehört die Schweiz international zu den Ländern mit den meisten Corona-Toten. Auch die Ansteckungszahlen sind gemessen an der Bevölkerungszahl sehr hoch: Länder mit mehr als 60 Angesteckten pro 100'000 Menschen bezeichnete die Schweiz einst als Risikoländer. Nun ist sie selber bei 522. Kurz: Wir haben kaum Sicherheitspolster für den Fall, dass die neue Virusform sich rasant ausbreitet. Darum würde das Ziel des Bundesrates, die Zahlen alle zwei Wochen zu halbieren, ja auch einleuchten
Wer allerdings kaum etwas unternimmt, wenn die eigenen Ziele klar verfehlt werden, erweckt den Eindruck, diese Ziele selber nicht ernst zu nehmen. Das Argument, die Kantone müssten zuerst angehört werden, ist zwar richtig. Diesen Prozess hätte der Bundesrat allerdings schon früher starten können. Von den mutierten Viren, die zum neuen Brandherd zu werden drohen, weiss man nicht erst seit heute. Auch in der Schweiz nicht.