Die Obere Berner Altstadt floriert. Tausende Menschen sind täglich in den Lauben unterwegs, shoppen und flanieren, sie treffen sich zu einem Kaffee oder zum Essen. In der Oberen Altstadt lebt es.
In der Unteren Altstadt allerdings sind weniger Leute unterwegs. Ein Grund: Es gibt weniger Läden, die man betreten könnte und mehr tote Schaufenster.
Nun greift die Politik ein: Die Stadtberner Regierung möchte künftig nur noch jenen Läden Räume im Erdgeschoss vermieten, die man auch betreten kann – ohne vorgängig einen Termin zu vereinbaren. Erlaubt wären zum Beispiel Boutiquen, Coiffeursalons (ohne Voranmeldung), Lebensmittelgeschäfte, nicht mehr erlaubt zum Beispiel Architekturbüros, Banken, Treuhandbüros. Darüber wird in Bern im Herbst abgestimmt.
«Man muss unbedingt verhindern, dass die Altstadt zum Museum wird», so Barbara Geiser, Präsidentin der vereinigten Altstadtleiste. «Zu einer völlig neutralen Bank hat niemand einen Bezug dazu. Das tut weh.» Diesen Trend müsse man stoppen. Ihrer Meinung nach braucht es dafür die gesetzliche Regulierung.
Gegen eine Vorschrift auf Papier wehrt sich Sven Gubler, Direktor der Innenstadtorganisation Bern City. «Die Untere Altstadt ist nach wie vor lebendig. Es regelt sich dann von selbst.» Jede Reglementierung bremse die Kreativität, das dürfe man nicht vergessen.
Andere Städte, ähnliche Probleme
Bern ist nicht die erste Stadt, die spezifisch die Erdgeschosse in der Altstadt zu beleben versucht, weiss Heidi Haag, Geografin und Raumplanerin bei Espace Suisse, dem Schweizer Verband für Raumplanung und Umweltfragen. Durch den Onlinehandel gibt es weniger Läden, in die man Einkaufen geht. «Diesen Strukturwandel im Detailhandel gibt es in ganz Europa. Das ist definitiv kein neues Phänomen». Aber nicht überall sei das Problem gleich akut.
Alle Städte haben heute weniger Läden als früher.
Bern ist eine grosse zentrale Stadt, ein Weltkulturerbe mit Touristinnen und Touristen. Andere Städte haben dies nicht – dort ist der Strukturwandel teilweise bereits abgeschlossen.
Je weiter man sich vom Zentrum entferne, umso eher werde der Strukturwandel sichtbar. «Keine Stadt hat heute noch gleich viele Läden wie vor 50 Jahren.» Aber das sei nicht schlimm, wichtig sei, dass die Stadt sich dessen bewusst ist und eventuell ihre Strategie anpasst.
Besonders kleinere Städte versuchten zum Beispiel, ihre Läden an einem Ort zu konzentrieren, damit dort Laufkundschaft vorhanden ist. Als Konsequenz würden andere Gassen dann zu Wohngassen umfunktioniert. Aber das funktioniert nicht in jeder Stadt. Ein Patentrezept für lebendige Altstädte gibt es nicht.
In Bern jedenfalls wird die Bevölkerung darüber entscheiden, inwiefern mit Regeln dem Aussterben entgegengewirkt werden soll.