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Gutachten zu «Kinder der Landstrasse»
Aus Tagesschau vom 28.07.2024.
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«Kinder der Landstrasse» Hat die Schweiz an Jenischen einen Völkermord begangen?

Mit der Aktion «Kinder der Landstrasse» wurden hunderte jenische Kinder ihren Familien weggenommen. Gilt dies als Genozid?

Während Jahrzehnten wurden Fahrenden in der Schweiz ihre Kinder weggenommen. Nun soll ein Rechtsgutachten klären, was für eine Rolle die offizielle Schweiz dabei spielte, wie die NZZ am Sonntag berichtete. Die Frage im Zentrum des Gutachtens: War das Unrecht, das den fast 600 Kindern und ihren Familien angetan wurde, ein Völkermord?

Späte Anerkennung als Minderheit

Im Rahmen der 1926 von Pro Juventute ins Leben gerufenen Aktion «Kinder der Landstrasse» sollten jenische Kinder zu «brauchbaren Gliedern» der Gesellschaft erzogen werden. Hunderte Kinder wurden Familien weggenommen, Frauen zwangssterilisiert und Menschen weggesperrt. Nach kritischen Berichten und zunehmendem öffentlichen Druck löste Pro Juventute das verantwortliche «Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse» 1973 auf.

Kinder und Hund stehen draussen; Erwachsene im Hintergrund.
Legende: Jenische Jungen und Mädchen, die 1958 in Zürich für einen Fotografen posieren. KEYSTONE / Str

In den 1980er-Jahren entschuldigte sich der damalige Bundespräsident Alphons Egli erstmals bei den Betroffenen. Dreissig Jahre später, 2016, wurden die Jenischen zusammen mit den Sinti als nationale Minderheiten anerkannt.

Die Forderung zur Völkermord-Anerkennung ist nicht neu

Das Gutachten soll nun unter anderem klären, ob das Verhalten der Involvierten die völkerrechtlichen Strafbestände von Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllt. Falls das der Fall ist, stellt sich die Frage, ob die Schweiz daran Schuld trägt: etwa durch Beteiligung von Behörden, durch materielle Unterstützung oder Verletzung der Aufsichtspflichten.

Die Forderung nach Anerkennung des Unrechts als Völkermord ist nicht neu. «Die jenischen Betroffenen haben mehrfach Anläufe genommen, dass ihre Verfolgung als Völkermord qualifiziert wird», sagt der Historiker Thomas Huonker. Er hat sich intensiv mit der Geschichte der Jenischen und Sinti in der Schweiz auseinandergesetzt. «Die Betroffenen sagen, Tatbestände der Konvention sind gewaltsame Wegnahme von Kindern aus einer Gruppe, um sie in eine andere zu verpflanzen, und die Senkung der Geburtenrate, die gezielte, innerhalb einer Gruppe.»

Das Gutachten sei darum ein wichtiger Schritt, um Klarheit zu schaffen. Das Departement des Innern schreibt: «Die Ergebnisse bilden die Grundlage für allfällige politische Erklärungen durch die Landesregierung.» Diese sollen im Herbst vorliegen.

Tagesschau, 28.07.2024, 19:30 Uhr ; 

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