- Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz erlebt physische Gewalt durch Mitschülerinnen oder Mitschüler, über zwei von fünf werden gemobbt oder diskriminiert.
- Auch zu Hause ist Gewalt bei fast jedem dritten Kind Realität, wie eine Studie der Kinderrechtsorganisation Unicef zeigt.
Gemäss der UNO-Kinderrechtskonvention haben Kinder das Recht auf Schutz und gewaltfreie Aufwachsen. Dieses Vertragswerk hat auch die Schweiz unterschrieben. Doch die Realität sieht anders aus.
Zwar fühle sich die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen in Familie, Schule, Freizeit und Wohnort sicher oder sehr sicher, schreibt das UNO-Kinderhilfswerk Unicef in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie. Doch vor allem in der Schule sei das Sicherheitsgefühl bei 15 Prozent mittelmässig oder gar nicht da und im Internet betrage dieser Anteil sogar 32 Prozent.
So hätten 32 Prozent der Befragten angegeben, physische Gewalt durch Mitschülerinnen und Mitschüler zu erfahren, bei psychischer Gewalt waren es sogar 42 Prozent. Zu Hause litten 29 Prozent unter physischer Gewalt durch die Eltern und 24 unter psychischer Gewalt.
Arme Kinder mehr gefährdet
Zwei Drittel der Kinder werden in der Familie bestraft (65 Prozent), in der Schule sind es 35 Prozent. Kinder, die von materieller Armut betroffen sind, seien grundsätzlich einem grösseren Risiko von Gewalt- und Straferfahrungen ausgesetzt.
Dazu kommt, dass 41 Prozent der Befragten in der Schweiz und in Liechtenstein schon mindestens einmal diskriminiert wurden. Auch hier sei bei von Armut betroffenen Kinder oder Jugendlichen das Risiko grösser. Das Gleiche gelte für Kinder mit Migrationshintergrund. Bei Mädchen komme Ausgrenzung wegen ihres Geschlechts doppelt so häufig vor wie bei Knaben.
«Besorgniserregende» Erkenntnisse
«Die Studie ist aufschlussreich und besorgniserregend zugleich», wird Bettina Junker, die Geschäftsleiterin von Unicef Schweiz, in einer Medienmitteilung zitiert. Vor allem die Antworten der armutsbetroffenen Kinder wiesen darauf hin, dass sie regelmässig Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt seien und weniger Möglichkeiten hätten, ihre Rechte wahrzunehmen.
Deshalb brauche es verstärkt Massnahmen, damit diese Kinder und Jugendlichen nicht systematisch benachteiligt würden. Zentral sei dabei die Verminderung der Kinderarmut in der Schweiz und in Liechtenstein. Hinsichtlich der Gewalt sei eine bessere Gesetzeslage nötig, aber auch Massnahmen beim Monitoring, der Prävention und der Hilfsangebote.
Mehr Mitsprache, weniger Druck
Gemäss der Studie beklagten rund 46 Prozent, dass sie an ihrem Wohnort selten oder nie nach ihrer Meinung gefragt würden, in der Schule werden über die Hälfte (55 Prozent) nicht an den Entscheidungsprozessen beteiligt. Ausserdem verfügt ein Drittel der Kinder und Jugendlichen – vor allem die Älteren – unter der Woche über «mittel» oder «gar keine» Zeit, um sich zu entspannen und zu erholen.
Dementsprechend gaben die Kinder in ihren Antworten an, dass sie sich mehr politische Mitbestimmung wünschten, weniger Leistungsdruck, Mobbing und Gewalt in der Schule und mehr Orte, an denen sie sich in ihrer Freizeit aufhalten dürften.
Unicef befragte zusammen mit dem Institut für Soziale Arbeit und Räume der Ostschweizer Fachhochschule (OST) über 1700 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 9 und 17 Jahren.