Gewalt in Familien kann in unterschiedlichen Formen auftreten und selbst erfahren oder miterlebt werden. Gemäss der aktuellen Kinderschutzstatistik der Fachgruppe Kinderschutz der Schweizer Kinderkliniken sind 2023 zwei Kinder durch Misshandlung am eigenen Körper gestorben.
Insgesamt wurden demnach 2097 Kinder wegen Misshandlungen in Kinderkliniken behandelt. Das sei eine Zunahme von elf Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Der Anstieg ist überwiegend auf die Zunahme (+64 Prozent) von Meldungen über psychische Misshandlungen durch Miterleben häuslicher Gewalt zurückzuführen, wie die Fachgruppe mitteilte.
Aufgrund eines verbesserten Meldeverfahrens würden mehr Fälle registriert, sagt die Autorin der Studie, Dörthe Harms Huser. Eine numerische Zunahme an Fällen sei aber nicht auszuschliessen.
Wie die Fälle gemeldet werden, sei sehr unterschiedlich, sagt Dörthe Harms Huser von der Fachgruppe Kinderschutz der Schweizer Kinderkliniken gegenüber SRF: «Es gibt leider keine einheitliche Regelung. In einigen Kantonen werden die Fälle direkt nach einem Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt gemeldet. Im Kanton Aargau ist beispielsweise die Anlaufstelle häusliche Gewalt dafür zuständig.»
Zudem gebe es verschiedene Opferhilfen und Beratungsstellen, bei denen die Fälle gemeldet werden könnten. Betroffene und Eltern suchten teils auch selbst Schutz oder Rat, meint Harms Huser.
Von den gesamten gemeldeten Fällen betrafen gemäss der Statistik 552 körperliche Misshandlungen. Psychische Misshandlungen mussten 666 Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre über sich ergehen lassen, 588 wurden vernachlässigt, 271 Kinder wurden Opfer sexuellen Missbrauchs. Das Münchhausen Stellvertreter Syndrom registrierten die Kliniken 20 Mal.
Auswirkungen von körperlicher und psychischer Gewalt
Körperliche Gewalt in der Erziehung kann bei Kindern physische Schädigungen zur Folge haben. Auch kognitive Beeinträchtigungen, emotionale Beeinträchtigungen sowie eine höhere Wahrscheinlichkeit zu aggressivem oder kriminellem Verhalten lassen sich gemäss einer Studie der Stiftung Kinderschutz Schweiz bei Betroffenen beobachten.
Die Auswirkungen psychischer Gewalt werden gemäss Kinderschutz Schweiz regelmässig unterschätzt oder verharmlost. Demütigungen, Beschimpfungen, Ignorieren, Erniedrigung, Liebesentzug, Drohungen oder Verängstigung – das Erleben von psychischer Gewalt könne sogar schwerwiegendere Auswirkungen auf die emotionale Verfassung von Kindern haben als das Erleben von körperlicher Gewalt.
Häusliche Gewalt ist keine Privatsache.
Häusliche Gewalt werde häufig immer noch als privates Ereignis angesehen, sagt Harms Huser und betont: «Häusliche Gewalt ist keine Privatsache.» Mit der jährlich neu publizierten Kinderschutzstudie wolle die Fachgruppe unter anderem das Wissen um Probleme von Kindern und Jugendlichen zugänglicher machen und eine gegenseitige Verantwortung ins Bewusstsein rufen.
«So sind vielleicht zunehmend auch Nachbarn in der Lage, zu sagen: ‹Da erkundige ich mich oder ich rufe die Polizei, wenn ich Geschrei höre.› Es geht um Sensibilisierung, es geht um Fortbildung, es geht um Informationen.»