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Kirchgemeinden im Lärmstreit Kulturgut oder unnötiger Lärm? Glockengeläut polarisiert

In Hochdorf LU läutet die Kirchenglocke neu weniger lang. Andere Kirchgemeinden halten am Geläut fest.

Zwischen 12'000 und 15'000 Kirchenglocken gibt es in der Schweiz. In vielen katholischen Kantonen läuten diese noch heute im Viertelstundentakt. Das stört Margrit Mederlet-Muri, die in der Nähe der Kirche im luzernischen Hochdorf wohnt.

«Im Sommer hält man es draussen nicht aus. Man kann gar nicht mehr miteinander reden.» Die 86-Jährige hat deshalb beim Kirchenrat angefragt, ob er das Geläut reduzieren könnte.

Ältere Frau mit Brille im Freien.
Legende: Läuten die Kirchenglocken, hält es Margrit Mederlet-Muri auf ihrem Balkon nicht mehr aus. SRF

Im Dorf und in den Leserbriefspalten entfachte daraufhin eine hitzige Debatte. «Jeder Mensch, der in die Nähe einer Kirche zügelt, weiss, dass Kirchenglocken läuten», schrieb etwa eine Leserin des «Seetaler Boten».

Eine Leserin der «Luzerner Zeitung» fand, zumindest in der Nacht sei das Geläut überflüssig. «Den Menschen, die sich nicht gestört fühlen und schlafen, ist der nächtliche Glockenschlag ohnehin egal.»

Andere Gemeinden schränken Möglichkeit für Einsprachen ein

Solche Diskussionen wollten andere Luzerner Kirchgemeinden bereits im Keim ersticken: In Reiden hat die Kirchgemeinde das Geläut vor ein paar Jahren ins Grundbuch eintragen lassen. Juristischer Widerstand ist so schwieriger geworden. Ein Kniff, den kurz darauf auch Entlebuch kopierte.

Bundesgericht stützt nächtliches Glockengeläut

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Grosse Glocken in einem Kirchturm.
Legende: Glocken der Kirche St. Martin in Hochdorf. Screenshot SRF

Im Jahr 2017 beschäftigte sich das Bundesgericht mit dem Thema. Anlass dazu gab ein Paar aus Wädenswil ZH, das sich am nächtlichen Viertelstundenschlag der evangelisch-reformierten Kirche störte.

Das Bundesgericht argumentierte zum einen, der nächtliche Glockenschlag sei Tradition. Es äusserte sich auch zur Lärmbelastung. Die Beschwerdeführer wohnten rund 200 Meter vom Kirchturm entfernt. Damit sei die Lärmbelastung «nicht als erhebliche Störung zu qualifizieren». Eine Einstellung des nächtlichen Geläuts hätte nur eine bescheidene «Verbesserung der Lärmsituation» zur Folge.

Fall-Nr.: 1C_383/2016, 1C_409/2016

In Hochdorf entschied sich der Kirchenrat schliesslich für ein Entgegenkommen: Das Glockengeläut fällt nicht ganz weg, es dauert neu aber weniger lang.

Wir möchten den Gegnern und den Befürwortern entgegenkommen. So, dass die Kirche im Dorf bleibt.
Autor: Patrizia Boesch-Schibli Präsidentin Kirchenrat Hochdorf LU

Die Kirchgemeinde verzichtet beispielsweise während der Nacht auf den sogenannten Repetitionsschlag. Damit wird der Klang einer zweiten Glocke bezeichnet, die zur vollen Stunde die Uhrzeit wiederholt. Auch das Geläut vor Gottesdiensten wird in Hochdorf künftig reduziert.

Luftaufnahme einer Stadt mit Kirche und Friedhof.
Legende: Der Grundstein der Pfarrkirche St. Martin in Hochdorf wurde 1758 gelegt. SRF

«Wir möchten den Gegnern und den Befürwortern entgegenkommen. So, dass die Kirche im Dorf bleibt», sagt dazu Patrizia Boesch-Schibli, die Präsidentin des Kirchenrats Hochdorf.

Lärmstreit beschert Technikern neue Aufträge

Glockenschläge auszusetzen, ist technisch jedoch gar nicht so einfach umzusetzen, erklärt Thomas Muff, Geschäftsführer der Muff Kirchturmtechnik AG in Triengen. «Bei einer mechanischen Uhr wie in diesem Fall kann man nicht einfach das Uhrwerk abstellen. Denn das würde bedeuten, dass die Zeit nicht mehr stimmt.»

Oft tauche auch der Wunsch auf, die Kirchenglocken mögen leiser klingen. Dafür tüftelt Thomas Muff im Klanglabor. Seine neueste Idee: ein spezieller Klöppel, der leiser läutet.

Mann kniet neben Metallwerkzeugen an der Wand.
Legende: Kirchturmtechniker Thomas Muff hat den sogenannten Ankerklöppel entwickelt (ganz rechts), der dank seiner aussergewöhnlichen Form dafür sorgt, dass der Glockenschlag fast 15 Dezibel leiser ist. SRF

Zurück nach Hochdorf. Hier bleibt das Kirchengeläut nun also immer noch rund um die Uhr bestehen. Allerdings reduziert. Für Anwohnerin Margrit Mederlet-Muri ist es ein gangbarer Kompromiss. «Für mich selber stimmt es so. Aber ich hätte den Leuten, die nachts Ruhe möchten, gerne geholfen.»

Bei der Frage nach der richtigen Menge Kirchengeläut scheint es den goldenen Mittelweg also nicht zu geben.

Schweiz aktuell, 6.1.2025, 19:00 Uhr ; 

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