Sex mit Patientinnen und Patienten, Therapie unter Drogeneinfluss, Inzest – das sind keine Tabus in der sogenannten Kirschblüten-Gemeinschaft. Dass das Psychiatriezentrum in Münsingen PZM drei Anhängerinnen dieser Gemeinschaft dennoch beschäftigte, sorgte vor einigen Tagen für Schlagzeilen. Das PZM wusste von den privaten Verbandelungen ihrer Mitarbeiterinnen, störte sich allerdings nicht daran.
Verwaltungsratspräsident Jean-Marc Lüthi sagte gegenüber Radio SRF: «Einerseits lehnen wir die Ideologie klar ab. Andererseits leben wir eine diskriminierungsfreie Anstellungspraxis. Und dazu kommt, dass es aktuell einen ausgeprägten Fachkräftemangel gibt, der in der Psychiatrie besonders spürbar ist. Das schränkt unsere Rekrutierung jeweils stark ein.»
Die Verbindung wurde bereits bei der Anstellung offengelegt und von uns thematisiert.
Es wurden klare Vereinbarungen getroffen, an welche sich die Mitarbeiterinnen halten mussten. «Sobald ein Fehlverhalten aufgetreten wäre, hätte das eine unmittelbare fristlose Kündigung zur Folge gehabt.» Es habe aber kein Fehlverhalten gegeben. Dennoch beschäftigt dieser Fall nun auch den Kanton Bern – es ist eine entsprechende Beschwerde eingegangen.
Anderer Arbeitgeber handelte sofort
Recherchen des «Regionaljournal Bern Freiburg Wallis» zeigen nun: Eine andere Institution, die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD), beschäftigte ebenfalls eine Frau, die der Kirschblüten-Gemeinschaft angehörte. Sie wechselte vom PZM zur UPD. Dort hat man nur durch Zufall von ihrer Verbindung erfahren, dann aber rasch reagiert: Der Psychologin wurde sofort gekündigt.
Der Leiter der Klinik, Michael Kaess, begründet den Entscheid: «Wir haben es in der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit besonders schützenswerten Personen zu tun.» Gerade was das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Therapeutin und Patient angehe. «Da gibt es keine Augenhöhe. Und diese nicht-klare Trennung von Sexualität und Psychotherapie, sowie Substanzkonsum und Psychotherapie halten wir für extrem bedenklich.» Man könne nicht mit Angestellten arbeiten, die eine solche Haltung vertreten. Noch in der ersten Arbeitswoche musste die Frau die Klinik wieder verlassen.
In diesem Fall kann man Privates und Berufliches nicht trennen.
Das Besondere an der Kirschblüten-Gemeinschaft sein, dass diese nicht nur persönliche Überzeugungen und Grundhaltungen betreffe, sondern direkt das Berufsfeld der Psychiatrie. Dieses Verständnis teilen auch andere Institutionen neben der UPD.
Der Dachverband der psychiatrischen Kliniken und Dienste, Swiss Mental Healthcare (SMHC), distanziert sich deutlich von der Gruppierung: «Die Behandlungsmethoden sind inakzeptabel. Inzestuöse Handlungen sowie sexuelle Kontakte zwischen Therapeutinnen und Patienten werden nicht ausgeschlossen», sagt SMHC-Präsident Erich Seifritz. Die Vorkommnisse beträfen den Kern der psychiatrischen Behandlung, die sich nachteilig auf die Patientinnen auswirken könnten.
Backgroundcheck bei der Einstellung?
Wer sich bei der Klinik UPD bewerbe, werde sorgfältig geprüft, so Michael Kaess. Man müsse beispielsweise einen Strafregisterauszug vorlegen. Aufgrund des jüngsten Falles prüfe man nun aber, auch eine Internetrecherche über den Hintergrund der Person durchzuführen. «Wir prüfen als Folge dieses Vorfalls intern, ob wir an unserem Einstellungsverfahren Änderungen vornehmen», so der ärztliche Direktor.