- Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga reist mit dem Nachtzug zum Arbeitsbesuch in Wien.
- Auch alle Bundesbeamte sollen gemäss dem «Aktionsplan Flugreisen» weniger fliegen und Reisen bis 6 Stunden mit dem Zug machen.
- Bürgerliche Politiker kritisieren Sommaruga. Zugreisen seien wenig effizient und es gehe viel Zeit verloren.
Der Bundesratsjet bleibt im Hangar. Die klimabewusste Simonetta Sommaruga (SP) macht ihre erste Auslandreise als Bundespräsidentin lieber mit dem Zug. Die Bundespräsidentin fährt im Schlafwagen nach Wien. «Jeder muss für sich selber rausfinden, ob er lieber jettet oder den Zug nimmt», so die Bundespräsidentin gegenüber der «Rundschau». «Wenn ich zeige, dass man auch den Zug nehmen kann, ist das sicher eine Gelegenheit für andere Leute das auch einmal auszuprobieren», so die Umweltministerin.
Retourfahrt dauert über 22 Stunden
Die Fahrt mit dem Nachtzug von Zürich nach Wien dauert knapp über 10 Stunden. Mit der Anfahrt von Bern nach Zürich gibt das eine lange Zugreise. Der Komfort hat Simonetta Sommaruga trotzdem überzeugt: «Ich habe erstaunlich gut geschlafen. Man muss sich ein wenig an die Geräusche und die Unruhe gewöhnen, dann geht es gut», so die Bundespräsidentin am Morgen am Wiener Hauptbahnhof.
Bürgerliche kritisieren PR-Show
Kritik kommt von bürgerlichen Verkehrspolitikern: «So lange im Zug sitzen. Das stelle ich mir nicht unter effizienter Regierungsarbeit vor», sagt SVP-Nationalrat Gregor Rutz. Für FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen ist die Fahrt «ein bisschen viel Show». «Ich bin erstaunt, dass die Bundespräsidentin Zeit hat, 22 Stunden im Zug zu sitzen», sagt auch SVP-Nationalrätin Nadja Pieren. Wer eine volle Agenda habe, wähle besser das effizienteste Verkehrsmittel. Das sei hier nicht der Zug.
Sommarugas Lob für den Nachtzug
«Das ist keineswegs Zeitverschwendung», kontert die Sozialdemokratin die bürgerliche Kritik. «Ich habe im Zug geschlafen. Zu Hause hätte ich ja auch geschlafen und nichts anderes gemacht», so Simonetta Sommaruga. Ihr habe diese Reise Spass gemacht. Zudem könne man im Zug gut arbeiten.
Simonetta Sommaruga geht als Vorbild voran. Doch nicht nur sie – auch die ganze Bundesverwaltung soll weniger Fliegen und mehr Zug fahren. Gemäss dem «Aktionsplan Flugreisen» dürfen sämtliche Bundesbeamte nur noch fliegen, wenn die Zugfahrt länger als sechs Stunden dauern würde.
Linke und Grüne kritisieren Klima-Reglement
«Ich habe den bösen Verdacht, dass diese 6 Stunden genau so gewählt wurden, dass die Beamten weiter nach Brüssel fliegen können», kritisiert Nationalrätin Aline Trede von den Grünen die 6-Stunden-Regelung. Brüssel ist das Hauptreiseziel von Schweizer Beamten. Doch die schnellste Zugverbindung Bern-Brüssel dauert rund 6 Stunden und 40 Minuten. «Ich möchte, dass keine Schweizer Beamtinnen und Beamte mehr nach Brüssel fliegen», so Trede weiter. Auch SP-Nationalrat Jon Pult kritisiert die Regel: «Es ist besser als nichts. Aber 7 Stunden wären besser. Damit wäre auch Brüssel eine Pflichtfahrt mit dem Zug.»
Sommaruga will pragmatische Lösung
Wurden die 6 Stunden bewusst ins Reglement geschrieben, damit die Beamten weiter nach Brüssel fliegen können? «Man kann in alles etwas reinlesen. Für den Bundesrat ist klar, dass die Vorgaben mit gesundem Menschenverstand umgesetzt werden sollen», kontert Simonetta Sommaruga. Die neue Regelung bringe sehr wohl etwas. Es müsse aber auch für die Angestellten sinnvoll und umsetzbar sein.
Rundschau, 05.02.2020, 20:05 Uhr