Bereits jetzt gehört Crans-Montana zu den trockensten Orten der Schweiz. Mit der Klimaerwärmung verschärft sich das Problem und trifft die Landwirtschaft ins Mark.
Die 50 Kühe von Landwirt Samuel Berclaz aus Randogne im Wallis trinken an heissen Tagen über 100 Liter Wasser pro Tier. Dazu kommen tausende Liter, um die Weiden zu bewässern. Das summiert sich.
Die Wasserknappheit verschärft sich zusehends: «Seit gut zehn Jahren kann ich wegen des Wassermangels nur noch einmal statt zweimal jährlich mähen und habe darum weniger Futter», sagt er zum SRF-Reporter.
Multifunktionales Schmelzwasser als Reserve
Es braucht also neue Wasserquellen, damit die Landwirtschaft in dieser Form weiterhin möglich ist. Nun haben sich Crans-Montana und umliegende Gemeinden zusammengetan und das Projekt Lienne-Raspille lanciert. Dieses sieht vor, im Frühjahr das Schmelzwasser in den bestehenden Tzeusier-Stausee zu leiten.
Entstehen soll eine multifunktionale Wassernutzung mit Pioniercharakter, wie Projektleiter Dany Antille erklärt: «Die Idee sieht so aus: Wir transportieren rund vier Millionen Kubikmeter Schmelzwasser pro Jahr durch die natürliche Gravitation in den Stausee, wo wir das Wasser speichern. Ab Juni oder August geben wir dann das Wasser frei, wenn es für die Landwirtschaft oder sogar als Trinkwasser benötigt wird», so der Präsident der Lienne-Raspille SA.
Gleichzeitig soll das 50-Millionen-Projekt mit dem Wasser Strom für 10'000 Haushalte erzeugen, wenn es ins Tal donnert.
Wasserexperte fordert neue Stauseen
Für den Walliser Wasserexperten David Volken ist das Projekt überfällig. «Die Gletscher schmelzen immer schneller weg. Man muss jetzt handeln, bevor es zu spät ist. Es braucht neue Stauseen, damit wir das Wasser künftig besser speichern können.»
Die Gletscher schmelzen immer schneller weg. Man muss jetzt handeln, bevor es zu spät ist.
Denn die Bewässerung werde in den nächsten Jahren immer wichtiger. «Reben und Aprikosen brauchen viel Wasser. Ebenso die Brandbekämpfung bei Waldbränden.»
Dieses Jahr habe man im Rhonetal bereits vier Hitzetage gezählt. «Das ist nicht mehr normal. Darum braucht es auch regionale Wasserverbünde, die sich in der Not gegenseitig aushelfen können», so der Hydrologe und Mitte-Lokalpolitiker Volken weiter.
Umweltverbände fürchten um Biodiversität
Die Umweltverbände hingegen sind nicht erfreut über das Projekt in Crans-Montana. «Muss man in dieser Region im 21. Jahrhundert wirklich noch Kühe züchten, oder sollte man nicht besser andere Erzeugnisse wie Getreide anpflanzen? Das würde viel weniger Wasser brauchen», sagt Marie Thérèse Sangra, Geschäftsführerin des WWF Wallis.
Durch die extensive Nutzung der Wiesen würden diese häufiger gemäht. «Das ist sehr schlecht für die Biodiversität. Gewisse Vogel- und Insektenarten werden verschwinden.»
Ball liegt beim Kanton
Bauer Berclaz braucht jedoch neue Wasserquellen. «Die Umweltschutzorganisationen hätten wohl am liebsten, wenn wir den Betrieb aufgeben müssten.» Das Gelände sei sehr steil und hügelig. Ausser Tierfutter könne man dort nichts anbauen.
Das Dossier des Schmelzwasserprojektes liegt nun beim Kanton Wallis. Gegen die Bewilligung ist eine Einsprache des WWF hängig. Dieser betont, dass er mit sich reden lasse. Wann die Bauern von Crans-Montana mit Schmelzwasser bewässern können, ist aber noch unklar.