Keine Kompromisse: Bis 2050 soll die Schweiz klimaneutral sein. So will es der Bundesrat. Bislang ist das aber nicht mehr als eine Absichtserklärung. Denn umsetzen muss das allen voran die Wirtschaft, aber auch die Bevölkerung ist gefragt.
Sind die Pläne des Bundesrats also mehr als schöne Worte vor dem Klimagipfel in New York? Antworten von Rolf Wüstenhagen, Professor für Management Erneuerbarer Energien an der Universität St. Gallen.
SRF News: Wie kommen die ambitionierten Pläne des Bundesrats bei Ihnen an?
Rolf Wüstenhagen: Klimaschutz ist ein wichtiges Anliegen. Insofern ist es erfreulich, dass sich der Bundesrat dem annimmt.
Lassen sich die Pläne mit den Anliegen der Gletscherinitiative vergleichen?
Sie haben tatsächlich ein ähnliches Ziel. Auch die Initiative will die Netto-Emissionen der Schweiz bis 2050 auf Null senken. Es ist auch kein Zufall, dass die Ziele ähnlich sind. Sie nehmen den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf. Der Weltklimarat hat in vielen Studien aufgezeigt, was die Folgen wären, wenn sich die globale Temperatur um mehr als 1.5 Grad erhöhen würde.
Um diese Risiken des Klimawandels zu vermeiden, muss man die Emissionen mindern. Dies muss bis 2050 in grossem Ausmass geschehen.
Der grösste Unterschied zwischen Initiative und Bundesrat ist, wo man das CO2 kompensiert. Die Gletscherinitiative sagt: nur in der Schweiz. Der Bundesrat sagt: auch im Ausland. Wo stehen Sie?
Der erste Schritt ist zu ermitteln, wie die Emissionen reduziert werden sollen. Was man mit dem restlichen CO2-Ausstoss macht, den man nicht im Inland kompensieren kann, ist für mich erst der zweite Schritt. Es muss zuallererst geklärt werden, wie man in Bereichen, die heute viele der Emissionen verursachen, eine substanzielle Minderung erzielen kann.
Und wie kann das gelingen?
Die grossen Bereiche sind der Verkehr, die Gebäude und die Ernährung. Beim Verkehr ist es höchste Zeit für eine Minderung der Emissionen, indem man weniger fossile Brennstoffe einsetzt. Im Moment geht der Trend hier noch in die falsche Richtung. Die Verkehrsemissionen sind im letzten Jahr wieder gestiegen. Länder wie Norwegen zeigen, wie es geht. Auch dort hat man ein Netto-Null-Ziel – sogar bis 2030. Es wurden Massnahmen zur Förderung der Elektromobilität ergriffen. Heute wird jedes zweite neuzugelassene Auto in Norwegen elektrisch betrieben.
Die Hausaufgaben müssen vom Parlament gemacht werden.
Bei Häusern geht der Trend tendenziell in die richtige Richtung. In den letzten Jahren hat man ein grosses Wachstum bei Wärmepumpen erzielt. Diese werden mit erneuerbaren Energien betrieben. Auch bei der Wärmedämmung, also der Energieeffizienz, geht der Trend in die richtige Richtung. Es hapert aber bei der Geschwindigkeit der Umsetzung.
Der ganze Gebäudepark hat lange Investitionszyklen. Wenn man wartet, bis die Ölheizung ersetzt werden muss, braucht der Wandel relativ lange. Man muss die Massnahmen dem Tempo des Klimawandels anpassen. Etwa, indem man Anreize für den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien schafft. In Deutschland etwa wird über eine Abwrackprämie für Ölheizungen diskutiert.
Vieles ist eine Blackbox. Sehen Sie eine reelle Chance, dass das Klimaziel des Bundesrats erreicht werden kann?
Die Pläne sind ein Anfang. Wie bei Volksinitiativen – etwa der Alpeninitiative – werden nur die Leitplanken gelegt. Man schreibt beispielsweise einen kurzen Verfassungsartikel, der eine Richtung vorgibt. Die Hausaufgaben müssen aber vom Parlament gemacht werden.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.