Emma und Elly feiern diesen Sonntag zusammen mit ihren Vätern Micha und Ron ihren dritten Geburtstag. Die beiden Mädchen haben zwar zwei Väter, aber keine Mutter. Sie sind von einer Leihmutter in den USA geboren worden. Dieser Frau hat man zuvor zwei Eizellen einer anderen Frau eingepflanzt, befruchtet mit den Sperma von Micha und Ron.
Alles habe damals problemlos geklappt, sagt der heute 40-Jährige Micha Bollag. Einzig vor der Rückreise in die Schweiz hätten er und sein Partner ein mulmiges Gefühl gehabt. Denn in der Schweiz ist Leihmutterschaft verboten. Doch die Sorgen seien unnötig gewesen, sagt Bollag.
Es gibt nur einen biologischen Vater
Mit Hilfe einer Anwältin erhielten ihre Kinder nebst dem amerikanischen auch den Schweizer Pass und auch den Heimatschein. Allerdings haben die Kinder in der Schweiz nur einen Vater, sagt Ingrid Ryser vom Bundesamt für Justiz. «Die Voraussetzung ist die biologische Vaterschaft. Der biologische Vater wird in der Schweiz als Vater eingetragen», so Ryser.
Sein Partner wird nicht eingetragen. Die gebärende Frau werde in der Schweiz immer als Mutter eingetragen, betont Ryser. In diesem Fall ist die amerikanische Leihmutter die Mutter von Emma und Elly, auch wenn sie genetisch gesehen gar nicht mit den Kindern verwandt ist.
Die austragende Frau ist die Mutter
Die Juristin Nora Bertschi hat ihre Doktorarbeit über Leihmutterschaft verfasst. Für Bertschi belegt der Fall von Emma und Elly, dass das geltende Schweizer Recht Leihmutterschaften ignoriert. «Wir haben im schweizerischen Familienrecht den unumstösslichen Grundsatz, dass die Frau, die das Kind zur Welt bringt, die Mutter ist», sagt Bertschi.
Zwar leben auch in der Schweiz immer mehr Paare, die sich mit Hilfe einer Leihmutter ihren Kinderwunsch erfüllen. Das Bundesamt für Justiz spricht von 30 bekannten Fällen, ist sich aber bewusst, dass die Dunkelziffer hoch ist.
Juristin Bertschi geht gar von 500 bis 1000 Fällen aus. Trotzdem kommt für den Bundesrat eine Legalisierung der Leihmutterschaft nicht in Frage. Er sieht vor allem die Interessen und Rechte der Kinder aus Leihmutterschaften gefährdet, weil sie in den meisten Fällen ihre leibliche Mutter nie kennenlernen.
Soziale Not von Frauen instrumentalisiert?
Prekär sei häufig auch die Situation der Frauen im Ausland, die sich als austragende Mütter, also Leihmütter, anböten, warnt der Bundesrat. Denn diese Frauen stammten oft aus sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten.
Deshalb hält das Justiz- und Polizeidepartement in einer früheren Antwort auf eine parlamentarische Anfrage fest: «Aus diesen Gründen besteht für den Bundesrat kein Anlass, die Lockerung des heutigen Leihmutterschaftsverbots zu prüfen.»
Bollag ist enttäuscht von der bundesrätlichen Haltung. «Wer so etwas niederschreibt, kennt meiner Meinung nach keine einzige Leihmutter, kennt auch das Umfeld nicht», sagt er. Er fordert, dass die Leihmutterschaft in der Schweiz legalisiert wird.
Kinderwunsch oft stärker als Gesetze
Juristin Bertschi ist ebenfalls dafür, glaubt aber nicht daran, dass das in den nächsten Jahren passieren dürfte. Deshalb plädiert sie für einen Mittelweg. Ihrer Meinung nach sollte die Schweiz wenigstens Leihmutterschaften im Ausland legalisieren.
«Leihmutterschaft wird praktiziert, egal, ob es erlaubt ist, oder nicht. Es gibt bei gewissen Paaren einen dringenden Kinderwunsch, den sie sich über jede Hürde hinweg zu erfüllen versuchen. Besser als wegsehen wäre es, sich zwischen den Staaten auf minimale Standards zu einigen. Das wäre im Sinne des Kindswohls.»
Die Antwort des Bundesrates dazu ist vage. Er schreibt, die Schweiz setze sich international diesbezüglich auf verschiedenen Ebenen ein.
Gegenseitige Stiefkindadoption bald möglich
Einen Lichtblick gibt es für Bollag und seinen Partner aber auch in der Schweiz. Ab nächstem Jahr wird die Stiefkindadoption für homosexuelle Paare möglich.
Dann können die beiden Väter ihre Kinder Emma und Elli in der Schweiz gegenseitig adoptieren. Sie sind nachher vor dem schweizerischen Gesetz alleinige Eltern ihrer Kinder.