Darum geht es: Wer in einer festen Partnerschaft ist und zusammenwohnt, bekommt keine Sozialhilfe, wenn der Partner genug Geld hat.
Darum ist es juristisch nicht ganz sauber: Im Gesetz steht nirgends, dass Konkubinatspartner einander finanziell unterstützen müssen. Trotzdem berücksichtigen die Gemeinden, gestützt auf die Empfehlung der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS, bei der Berechnung der Sozialhilfe einen sogenannten «Konkubinatsbeitrag», wenn die unterstützte Person seit zwei Jahren in einer festen Beziehung lebt. Sie gehen also wie bei einem Ehepaar davon aus, dass der finanziell bessergestellte Partner für den anderen aufkommt.
Das sagen Kritiker: Ehe und Konkubinat unterscheiden sich fundamental. Bei der Ehe verpflichtet sich ein Paar formell zu gegenseitigem (finanziellem) Beistand. Dafür werden Ehepaare beim Erbrecht, den Sozialversicherungen und der beruflichen Vorsorge teilweise privilegiert.
Beim Konkubinat hingegen sieht das Gesetz weder Rechte noch Pflichten vor. Wenn nun den Konkubinatspaaren bei der Sozialhilfe eheliche Pflichten auferlegt werden, ohne dass sie in den Genuss der Rechte kommen, dann ist dies problematisch. Zudem ist ein Konkubinat im Unterschied zur Ehe nicht klar feststellbar: So kommt es oft vor, dass die Sozialhilfe zwei WG-Partner kurzerhand zum Paar erklärt.
So reagieren die Paare: Laut der Unabhängigen Fachstelle für Sozialhilferecht UFS ist der Konkubinatsbeitrag in der Beratung ein Dauerbrenner. Die Paare seien völlig überrascht, wie verbindlich ihre Beziehung für die Behörden sei. Im Unterschied zu einem Ehepaar haben sie sich nie formell das Ja-Wort gegeben. Durch das Erzwingen von gegenseitigen Unterstützungspflichten werde das Konkubinat eines seiner Hauptmerkmale beraubt, sagt Tobias Hobi von der UFS. Manche zögen deshalb aus der gemeinsamen Wohnung wieder aus.
Zwei Fälle sind aktuell vor Schweizer Gerichten hängig. Erster Fall: Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau wird voraussichtlich über einen Fall urteilen, in dem ein berufstätiger Mann gezwungen wird, in eine billigere Wohnung zu ziehen, damit er seiner Freundin den Lebensunterhalt bezahlen kann, den die Gemeinde nicht tragen will.
Zweiter Fall: Das Bundesgericht wird sich mit der Frage befassen müssen, ob eine Gemeinde zu Recht von einem Mann verlangt hat, seinen Lebensunterhalt aus der IV-Rente und den Ergänzungsleisten seiner Freundin und ihrer beiden Kinder finanzieren zu lassen. Die Gemeinde bezahlte dem Mann zunächst nur 60 Franken Sozialhilfe pro Monat.
Die SKOS sieht Handlungsbedarf: Das Thema beschäftige die SKOS schon seit Jahren, es gebe immer wieder Fälle, bei denen die jetzige Regelung Fragen aufwerfe. Im Rahmen der laufenden Richtlinienrevision werden die Regelungen zum Konkubinatsbeitrag deshalb überarbeitet; die Empfehlung soll bis 2027 angepasst werden.