Telefongespräche abhören, in Computer eindringen oder Räume verwanzen: In bestimmten Fällen hat der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) seit 2017 ein grösseres Arsenal an Überwachungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Als politische Ausgleichsmassnahme wurde ihm eine neue Aufsicht zur Seite gestellt, die Unabhängige Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten (AB-ND) – nach dem Motto: Wenn der NDB mehr Mittel kriegt, muss er auch schärfer kontrolliert werden.
Wir wollen keinen zweiten Fichenskandal. Das ist der Grundsatz, den man wirklich beaufsichtigen sollte.
Die zuständige Oberaufsicht des Parlaments, die Geschäftsprüfungsdelegation GPDel, die dem NDB ebenfalls auf die Finger schaut, ist mit dem neuen Aufsichtsgremium aber nicht richtig zufrieden. Jahr für Jahr ruft sie der AB-ND in Erinnerung, sie solle sich mehr um Grundsatzfragen und weniger um Details kümmern.
GPDel-Präsident und SVP-Nationalrat Alfred Heer erklärt dazu, eine Aufsicht müsse vor allem eine zentrale Frage im Fokus haben: «Wir wollen keinen zweiten Fichenskandal. Das ist der Grundsatz, den man beaufsichtigen sollte – dafür weniger Detailfragen, keine kleinkarierten Angelegenheiten.»
Kritik zur Kenntnis genommen
Ausgerechnet bei der grossen Affäre der jüngeren Zeit hingegen, beim Fall Crypto um manipulierte Chiffriergeräte, sei die neue Aufsicht zunächst passiv geblieben, stellte die GPDel zuletzt fest. Dieser Vorwurf trifft zwar auch die GPDel selber.
Klar ist aber, dass die Arbeit der neuen Aufsicht die GPDel nicht gerade elektrisiert, wenn ihr Präsident sagt: «Es war der politische Wille, dass man eine Aufsichtsbehörde einsetzt. Die Frage ist aber immer, inwiefern sich der Bundesrat oder die Leitung des Nachrichtendienstes hinter einer Aufsicht auch verstecken können.»
Bei der Aufsichtsbehörde selber verweist Leiter Thomas Fritschi vor den Medien aufs Gesetz: Wie vorgeschrieben koordiniere seine Behörde ihre Arbeit mit der GPDel. «Ihre Kritik nehmen wir selbstverständlich zur Kenntnis und berücksichtigen diese auch im Rahmen unserer Unabhängigkeit.»
Was genau zum leicht getrübten Verhältnis zwischen den Aufsichtsorganen geführt hat, wird nicht restlos klar. Es dürfte Verschiedenes sein. Da ist zum einen die Aufgabe der neuen Behörde, die alles andere als einfach ist. Wer den NDB mit seiner Geheimhaltung effizient überwachen will, muss wissen, was er ihn überhaupt fragen soll. Das erfordert vertieftes Wissen.
Anhaltende Sticheleien
Zum anderen müssen sich die Aufsichtsgremien gegeneinander abgrenzen. Auch mehrere andere Instanzen in Bundesbern überwachen die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten heute in irgendeiner Form.
Ist das mittlerweile zu viel des Guten? GPDel-Präsident Heer sagt: Der NDB brauche eine gewisse Aufsicht. «Die Frage ist, wie weit wir gehen mit der Aufsicht. Wir haben schon die GPDel als Oberaufsicht, einen Nachrichtendienstkoordinator und so weiter.»
Es ist ganz wichtig, dass es diese Behörde gibt. Das war ein Versprechen vor der Abstimmung über das neue Nachrichtendienstgesetz.
Heer will aber die neue Aufsicht nicht grundsätzlich infrage stellen. Eine klare Meinung hat SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf: «Es ist ganz wichtig, dass es diese Behörde gibt. Das war ein Versprechen vor der Abstimmung über das neue Nachrichtendienstgesetz. Man muss der neuen Aufsicht auch Zeit lassen, ihre Rolle zu finden.»
In diesem Punkt sind sich alle einig. Klar ist aber auch: Solange Aufsichtsbehörden untereinander sticheln, können sie weniger Energie in ihre Kernaufgabe stecken: dem NDB auf die Finger zu schauen.