Die Debatte um die umstrittenen Zürcher Hausinschriften mit dem Wort «Mohr» erhielt am Dienstag neuen Wind. Konkret hält eine neue ETH-Studie fest, dass die beiden Inschriften «Zum Mohrenkopf» und «Zum Mohrentanz» erst im 20. Jahrhundert angebracht worden seien.
Namen «alt», Inschriften «neu»
Die Häuser in der Zürcher Altstadt trügen ihre Namen zwar schon lange, wie Ashkira Darman, eine Autorin der 124-seitigen Studie, am Dienstag vor den Medien erklärte. Die entsprechenden Inschriften aber, die tauchten offenbar erst später auf.
Über Jahrhunderte hinweg gebe es keine Belege für diese Inschriften. «Auch in einem Inventar aus dem Jahr 1918 wurde keine Inschrift erwähnt», sagte Ashkira Darman, promovierte Historikerin und Geschichtslehrerin am Realgymnasium Rämibühl in Zürich.
Die Historikerin verwies ebenso auf die Erkenntnis, dass Fotografien aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine solchen Schriftzüge zeigten. Die Inschriften seien also im letzten Jahrhundert angebracht worden.
Dies ist für sehr viele wohl eine neue Erkenntnis, ging man doch davon aus, dass die Inschriften schön länger bestünden. Erwähnt wurden die beiden Häuser mit den streitbaren Inschriften nämlich bereits vor mehreren Jahrhunderten.
«Erfindung der Altstadt»
Die Inschriften aber seien in einem Prozess entstanden, der als «Erfindung der Altstadt» umschrieben werden könne, so Darman. Damals sei die Zürcher Altstadt aufgewertet worden. Demzufolge könne keine «ungebrochene historische Tradition» festgestellt werden, hielt die Historikerin fest, die zusammen mit ihrem Fachkollegen Bernhard Schär die Studie angefertigt hat.
Für den Zürcher Stadtrat sind das wohl erfreuliche Nachrichten. Denn die Stadt streitet sich mit dem Heimatschutz vor Gericht: Es geht darum, ob die als rassistisch erachteten Hausinschriften abgedeckt werden dürfen oder nicht.
Und gerade erst letzte Woche erlitt der Zürcher Stadtrat, der sich im April 2021 für eine Abdeckung entschied, eine erste Niederlage. Das Baurekursgericht hat der Stadt nämlich nicht erlaubt, die Hausinschriften «Zum Mohrenkopf» und «Mohrentanz» in der Zürcher Altstadt abzudecken. Hierbei handle es sich um Häuser mit geschützten Fassaden, so das Baurekursgericht.
Stadt will den Fall weiterziehen
Doch das will die Stadt nicht akzeptieren und plant, den Fall ans Verwaltungsgericht weiterzuziehen. So sah sich die Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) durch den Bericht, den die Stadt selber in Auftrag gegeben hatte, bestätigt.
Dieser zeige eindrücklich auf, wie die Gesellschaft über Jahrhunderte von rassistischen Stereotypen geprägt gewesen sei. Eine Abdeckung der Inschriften reiche zwar nicht, doch «wir können zeigen, dass wir Rassismus im öffentlichen Raum nicht tolerieren». Zum laufenden Verfahren wollte sich die Stadtpräsidentin am Dienstag indes nicht äussern.
Ob die Stadt vor der nächsten Instanz recht bekommt, oder ob das Verwaltungsgericht bei einem allfälligen Weiterzug gleich urteilt wie das Baurekursgericht, bleibt offen. Die Studie jedenfalls macht keine konkrete Aussage darüber, wie genau mit den Hausinschriften verfahren werden soll.