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Konzert in der eigenen Stube Die musizierende Spitex von Schwyz

In Schwyz verschreibt die Spitex nicht nur Medikamente, sondern auch Musik. Dahinter steckt mehr als Unterhaltung.

Dreimal die Woche geht die Spitex bei Brian Croner vorbei. Die Besuche gleichen sich: Er erhält neue Medikamente, bekommt Hilfe beim Duschen oder den Rücken eingeölt. Was es halt braucht, um seine chronischen Schmerzen zu lindern.

Gratis-Konzert im Wohnzimmer

Heute jedoch ist ein besonderer Tag. Die Spitex ist nicht alleine da, sondern in Begleitung der Musikerin Carla Grimm. Sie hat ihre Gitarre mit im Gepäck und wird Brian Croner die Rock-Hits aus seiner Jugend vorspielen. Live – mitten im Wohnzimmer. «Ich bin richtig aufgeregt», begrüsst Brian Croner die Musikerin.

Frau mit Gitarre und drei Menschen, die zuhören
Legende: Nebst Medikamenten gibt es auch Musik: Brian Croner lauscht einem Konzert, organisiert von der Spitex. SRF

Es ist die Spitex Region Schwyz, die Musik nach Hause bringt. «Klangpflege» nennt sie das Angebot. Man wolle den Klientinnen und Klienten damit etwas Schönes tun, sagt Geschäftsführer Samuel Bissig. «Es ist gratis für sie. Die Zusatzkosten von ungefähr 300 Franken pro Besuch sind über Spendengelder finanziert.»

Beatles wecken Erinnerungen

Carla Grimm setzt sich mit der Gitarre auf einen Stuhl. Brian Croner nimmt mit seiner Frau und der Spitex-Angestellten auf dem Sofa gegenüber Platz. Er sitzt leicht gebückt. Die Musikerin stimmt den ersten Song an: «Imagine» von John Lennon. Schon nach wenigen Sekunden beginnt Croner den Takt mit seinen Fäusten nachzutrommeln.

Wegen meines Rückens kann ich nicht mehr weit gehen. Ich muss viel sitzen.
Autor: Brian Croner Ehemaliger Wirt und Musiker

Croner war selbst passionierter Musiker und beherrschte viele Instrumente. Das Erste war das Schlagzeug. «Musik ist mein Leben», sagt er. «Die Musik hat mich in die Schweiz geführt.»

Aufgewachsen in Sri Lanka, reiste Croner in jungen Jahren mit seiner Band durch Europa. Bei einem Auftritt in Schwyz hat er seine jetzige Frau kennengelernt und ist geblieben.

Frau und Mann sitzen Frau gegenüber
Legende: Die Musikerinnen und Musiker erhalten gut 150 Franken pro Einsatz. Dies und der Zusatzaufwand der Spitex-Mitarbeitenden sind von Spenden gedeckt. SRF

Die beiden führten ein Restaurant, Brian Croner trat nebenbei als Musiker auf. Das Restaurant löste das Paar mit der Pensionierung auf. Auch das Musizieren wurde für Croner schwieriger, weil er Schmerzen hatte. «Wegen meines Rückens kann ich nicht mehr weit gehen», sagt er traurig und fügt an: «Ich muss viel sitzen.» Auch Konzertbesuche seien unmöglich geworden.

Musik hat positive Wirkung

Das Wohnzimmer-Konzert soll Menschen wie Brian Croner die Musik ins Leben zurückbringen, so die Absicht der Spitex Region Schwyz. Rund 40 solcher Einsätze organisiert sie pro Jahr. Musikerin Carla Grimm meldete sich sofort, als sie davon hörte. «Die kranken Leute dürfen nicht zurückbleiben, sie sollen die Emotionen geniessen können, die Livemusik auslöst.»

Ein Musikstück von früher kann ältere Menschen zurückversetzen und die guten Gefühle zurückholen.
Autor: Patricia Jäggi Klang- und Hörforscherin, Hochschule Luzern

Tatsächlich habe Musik eine äusserst positive Wirkung auf ältere und kranke Menschen, bestätigt Klang- und Hörforscherin Patricia Jäggi von der Hochschule Luzern. «Musik tut zwar in jeder Lebensphase gut, doch Studien zeigen, dass sie für Menschen mit schlechter Gesundheit eine höhere Bedeutung hat.»

Jugendliche Energie ist zurück

Bestimmte Stücke können positive Erinnerungen an früher auslösen. «Man ist zurück bei den guten Gefühlen und fühlt sich stärker verbunden mit dem Leben», sagt die Klangforscherin. Diese Erfahrung mache sie immer wieder, wenn sie für ihre Forschungsprojekte beispielsweise mit Bewohnenden von Altersheimen musiziere.

Menschen am Singen
Legende: Patricia Jäggi (rechts) untersucht, wie sich Musik auf das Wohlbefinden älterer und kranker Menschen auswirken kann. Für ihre Studien besucht sie Altersheime und musiziert mit den Bewohnenden. SRF

Im Wohnzimmer von Brian Croner stimmt Carla Grimm den letzten Song an: «Hey Jude» von den Beatles. «Das ist die wichtigste Band meiner Jugendzeit», wird Croner danach sagen. Beim Refrain gibt es denn auch kein Halten mehr. Der vorher noch so zerbrechlich wirkende Mann steht auf, beginnt zu tanzen und singt mit. «Na na na na. Hey Jude!» Die Musik hat seine jugendliche Energie zurückgebracht.

10vor10, 7.3.2025, 21:50 Uhr

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