Über ein Gerüst geht es in den Rohbau. Die Dimensionen lassen es erahnen – der Bauherr hat Geld, viel Geld. Im Untergeschoss zeichnen sich die Umrisse des Swimming Pools ab. Viel Beton und Mauerwerk. Die Bauarbeiter sind dick eingepackt. Christian Iseli, Geschäftsführer der Chaletbau Annen AG, begrüsst seine Angestellten an diesem kalten Wintertag.
Noch deutet wenig darauf hin, dass hier dereinst ein Haus im Holzkleid stehen wird. Nur das Dach will nicht so recht zum Rest des modernen Rohbaus passen. Mit seinen dunklen wettergegerbten Balken sieht es aus, als stünde es schon seit Jahrhunderten hier.
Auf alt getrimmt
Zimmerleute werden später auch die Aussenwände mit antikem Holz verkleiden. Das Holz ist zwar nur wenige Zentimeter dick – aber es reicht, um das Haus aussen wie ein traditionelles Chalet aus dem Saanenland aussehen zu lassen.
Eine alte Hülle für ein modernes Haus, weshalb das? Christian Iseli klärt auf: «Es ist der ästhetische Charakter, der das Gefühl vermittelt, in einem Haus zu leben, dass traditioneller und spezieller ist als das Alltägliche.»
Nicht alltäglich sind auch die Kosten für solche Chalets mit ihrer Fassade aus Altholz. Dieses Haus in Gstaad dürfte am Schluss auf 15 bis 20 Millionen Franken zu stehen kommen. Allein die Holzarbeiten kosten mehr als ein durchschnittliches Einfamilienhaus.
Entsprechend exklusiv ist Iselis Kundschaft: «Das sind Leute mit einem gewissen finanziellen Hintergrund. Den muss man auch haben, weil die ganze Verarbeitung des Altholzes sehr aufwendig ist.» Es könne auch sein, dass das Bauen aus Altholz für gewisse Kreise zu einer Art Modebewegung geworden sei, mutmasst Iseli.
Über die Kundschaft wird geschwiegen
Allzu viele Details über seine Auftraggeber gibt der Chaletbauer aber nicht preis. In diesem Geschäft legt man viel Wert auf Verschwiegenheit. Immerhin so viel: Der Bauherr dieses Hauses ist ein Industrieller, er besitzt bereits zwei Häuser in Gstaad. Nun entsteht sein drittes.
Den lukrativen Nischenmarkt für Altholz haben auch andere Zimmereien im Saanenland entdeckt. Entsprechend umkämpft ist die Beschaffung der alten Bretter und Balken. Jahrhunderte altes Holz gibt es eben nicht unbeschränkt.
Iselis Firma hat drei Möglichkeiten zum begehrten Altholz zu kommen: Entweder brechen die Zimmerleute selbst alte Scheunen ab und verarbeiten das Holz oder sie werden von Leuten kontaktiert, die ihr altes Haus abreissen und das Holz verkaufen wollen. Schliesslich gibt es noch den Grosshandel, der den grössten Teil in diesem Bereich ausmacht, wie Iseli erklärt.
In diesem Grosshandel mischt auch die Atlas Holz AG im St. Gallischen Trübbach mit. Das Geschäft habe in den letzten Jahren stark angezogen: Nicht nur für den Chaletbau der Superreichen, auch für Möbel, Parkettböden, Wandtäfer und Küchen ist das antike Holz beliebt, bestätigt Marc Quirici von Atlas Holz: «Durch die starke Nachfrage wird es immer schwieriger das Altholz zu beschaffen. Vor allem im hochstehenden Qualitätssegment.»
Kroatische Eiche fürs Chalet
Immer häufiger greifen die Firmen auch auf ausländisches Altholz zurück – Holz aus den Nachbarländern, manchmal aber auch von weiter her. «Vor allem Eichenholz kommt sehr oft aus Osteuropa. In Kroatien wurden viele Häuser aus diesem Holz gebaut, weil es dort viele Eichenwälder hat», erklärt Quirici.
Osteuropäisches Eichenholz kommt auf der Baustelle in Gstaad nicht zum Einsatz – darauf legt Christian Iseli wert. Damit die Chalets möglichst originalgetreu wirken, wird nur Holz aus der Alpenregion verwendet.
Doppelt so teuer wie neues Holz
Doch weshalb der ganze Aufwand? Schliesslich wird Altholz teils zum doppelten Preis von neuem Holz gehandelt. Liesse sich da nicht einfach neues Holz «auf alt» trimmen? «Nein», sagt der Chaletbauer: «Wenn man wirklich ein Haus bauen will, dass nahe an das Original herankommt, kann man nur mit originalen Ausgangsrohstoffen arbeiten.» Es gebe Möglichkeiten, Holz zu dämpfen oder zu färben. Den authentischen Charakter bringe man jedoch nur mit Altholz zustande, so Iseli.
Der authentische Charakter – gegen aussen. Denn im Innern haben die Häuser nichts mehr zu tun mit den traditionellen Saannenländer Chalets – hier dominieren längst die Annehmlichkeiten der Moderne.