Auch die dritte Auflage einer neuen Tarifstruktur für ärztliche ambulante Leistungen hat beim Bundesrat keine Gnade gefunden. Er fordert die Tarifpartner auf, bis Ende 2023 den sogenannten «Tardoc» weiter zu verbessern.
Insbesondere sollen die beteiligten Organisationen wie die Ärzteschaft und der Krankenkassenverband Curafutura belegen, dass die neue Tarifstruktur nicht zu höheren Gesamtkosten führt. Tardoc soll das heutige Tarifsystem Tarmed ablösen, das moderne medizinische Leistungen ungenügend abbildet. Gesundheitsminister Alain Berset erklärt, warum er diesmal auf einen Erfolg hofft.
SRF News: Der Bundesrat hat «Tardoc» in der jetzigen Form abgelehnt. Warum sollte uns Versicherte das interessieren?
Alain Berset: Es geht um viel, auch für die Versicherten. Es geht um die Art und Weise, wie man die Tarife organisiert, letztlich um die Abrechnungen für die Patientinnen und Patienten. Das ist wichtig für alle, die einen Zugang zu einem guten Gesundheitssystem wollen.
Und was nützt das vorläufige Nein des Bundesrats?
Nicht viel, das muss ich gestehen. Und wir wären auch sehr froh gewesen, wenn wir festgestellt hätten, dass die heutige Fassung die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Leider war dies noch nicht der Fall. Das ist keine einfache Situation. Wir müssen nun an die Tarifpartner appellieren. Sie haben gute Arbeit und Fortschritte gemacht. Aber der Bundesrat braucht noch einen Schritt mehr, um das genehmigen zu können. Das ist in nicht allzu viel Zeit machbar.
Warum sollte es im vierten Anlauf plötzlich klappen?
Der Bundesrat hat diesmal klar gesagt, was wir noch brauchen, um den Tarif genehmigen zu können. Bis jetzt haben wir immer gesagt: Es ist noch nicht reif, bitte arbeitet weiter, um etwas Gesetzeskonformes zu erreichen. Diesmal sind wir wohl präziser, was unsere Erwartungen betrifft. Ich hoffe, dass das hilft. Zudem gibt es jetzt eine Tariforganisation, die eine grosse Rolle spielen könnte.
Es gibt also immer noch keine Lösung, weil der Bundesrat vorher zu wenig präzis war?
Wir werden sehen, was die Präzision bringt, die wir jetzt an den Tag legen. Ich hoffe, dass es hilft. Darum habe ich das auch so gemacht.
Über diese Tarifstruktur werden 12 Milliarden Franken jährlich gesteuert. Ist es vielleicht einfach zu viel Geld, als dass man erwarten könnte, dass sich die verschiedenen Partner einigen?
Wir haben in der Schweiz ein gutes Gesundheitssystem, zugänglich für die Leute, mit guten Behandlungen, sehr hohen professionellen Werten und guten Personen, die da arbeiten. Aber klar, es kostet viel. 12 Milliarden, das erklärt auch, wieso der Bundesrat sagen muss, dass die Kostenneutralität wichtig ist. Wir machen alles, um einen guten Zugang zu gewährleisten, aber die Kosten dürfen nicht explodieren. Das gilt in allen Bereichen, auch im ambulanten Bereich.
Die nationalrätliche Gesundheitskommission fordert, Sie sollten aktuelle Tarife senken, um Druck aufzusetzen. Das machen Sie aber nicht. Warum?
Es wäre eine Möglichkeit, wenn das Parlament das will. Aber wir sind ziemlich skeptisch. Denn es wurden grosse Fortschritte gemacht. Wir brauchen jetzt alle Organisationen. Die Zusammenarbeit ist eine grosse Verantwortung für diese privaten Organisationen, die Ärzte, Spitäler und Krankenversicherungen. Es ist eine grosse Verantwortung, eine gute Lösung zu finden. Und wir versuchen, die zu stützen. Aber schon klar, man spürt jetzt: Wenn es nicht gut geht, dann wächst der Wille im Parlament, zu intervenieren – und das könnte viel schlimmer werden. Versuchen wir, das zu verhindern. Wir zählen auf die privaten Akteure.
Ist das eine «bad guy, good guy»-Strategie? Die Kommission droht ein bisschen, und Sie sind vorläufig nett und machen nichts?
Nein, da ist keine Strategie dahinter. Aber mir hat schon Eindruck gemacht, was das Parlament da gesagt hat. Ich hätte das nicht so erwartet. Und es zeigt: Der Unmut im Parlament über diese Entwicklung ist am Steigen. Das ist vielleicht auch nochmals ein Appell an die Tarifpartner, sich zu einigen und konstruktiv noch mehr zu arbeiten für einen genehmigungsfähigen Tarif.
Das Gezerre um diese Tarife dauert nun schon viele Jahre. Wie viele Kopfschmerzen hatten Sie schon deswegen?
Kopfschmerzen ist vielleicht etwas viel gesagt. Ab und zu braucht man viel Leidenschaft, um sich weiter zu engagieren. Aber die Hauptarbeit liegt im Moment bei den Tarifpartnern. Und wir müssen die unterstützen und sie ermutigen, noch Fortschritte zu machen.
Gibt es für diese Art von Kopfschmerzen eigentlich eine Tarifposition?
(Lacht) Ich glaube nicht.
Das Gespräch führte Nathalie Christen.