- Für die Akteure des Gesundheitswesens ist das erneute Ansteigen der Krankenkassenprämien keine Überraschung.
- Die Prämienrunde 2018 falle wie erwartet aus, stellten die beiden Krankenversicherer-Verbände santésuisse und curafutura einhellig fest.
- Der Bundesrat habe die Bedenken der Krankenversicherer bei der Genehmigung der Prämien ernst genommen, heisst es bei santésuisse.
Er habe weitgehend darauf verzichtet, noch nicht gesicherte Einsparungen aus seinem Tarifeingriff im ambulanten Bereich in die Prämienkalkulation einzubeziehen. Dieses Vorgehen verhindere mögliche negative Auswirkungen in den Folgejahren, heisst es in der santésuisse-Mitteilung.
«Kleiner Trost»
Treiber für die Kostenentwicklung seien unter anderem die verschiedenen Fehlanreize im Gesundheitssystem, schreibt der Verband curafutura, in dem CSS, Helsana, Sanitas und KPT zusammengeschlossen sind. Insbesondere im ambulanten Bereich würden die Kosten seit Jahren überdurchschnittlich steigen, was sich für die Bevölkerung in steigenden Prämien niederschlage.
Es sei ein kleiner Trost, dass die Prämienrechnungen geringer ausfallen, als es aufgrund der bisherigen Kostenentwicklung gerechtfertigt gewesen wäre. Dies sei dem Tarifeingriff des Bundesrates zu verdanken. Curafutura zweifelt, ob der Tarifeingriff des Bundesrates die erwünschte Wirkung erzielt.
Dies sei keine Lösung gegen die steigende Prämienbelastung der Bevölkerung, sondern bloss ein Wink mit dem Zaunpfahl an die Tarifpartner, ihre gemeinsame Verantwortung für die zeitgemässe Weiterentwicklung wahrzunehmen und Fehlanreize im System anzugehen.
Fragwürdiges Finanzierungssystem
Der Ärzteverband FMH führt den erneuten Anstieg der Gesundheitskosten und dadurch auch der Prämien nicht nur auf die Bevölkerungsentwicklung und den medizinischen Fortschritt zurück, sondern auch auf das aus seiner Sicht fragwürdige Finanzierungssystem.
Da ambulante Behandlungen kostengünstiger sind als stationäre, gelte für die Kantone und den Bund die Devise «ambulant vor stationär». Doch während Spitalaufenthalte mehrheitlich durch Steuern getragen würden, gingen ambulante Behandlungen in Arztpraxen und Spitalambulatorien vollständig auf Kosten der Prämienzahlenden.
«Sozialpolitisch fragwürdig»
Diese Verlagerungspolitik führe unweigerlich zu einem Prämienschub. Dass die Kantone auf Kosten der Versicherten Geld sparten, sei «nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch sozialpolitisch fragwürdig», kritisiert FMH. Der Ärzteverband fordert eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen.
Ins selbe Horn wie die FMH stösst die Schweizerische Belegärzte-Vereinigung. Sie kritisiert die «kontraproduktiven» Tarifeingriffe und spricht von einem Teufelskreis. Es dürfe nicht sein, dass die Politik auf den Anstieg der Gesundheitskosten mit einem «massiven Abbau in der ambulanten Medizin» antworte. Denn offensichtlich führe ein «Kahlschlag» in diesem Bereich nicht zur erhofften Kostendämpfung.
Conrad Engler, Mitglied der Geschäftsleitung von H+ Die Spitäler der Schweiz, sagte auf Anfrage, es handle sich um eine moderate Prämienerhöhung im erwarteten Ausmass. Diese Entwicklung der Prämien sei bedingt durch die immer älter werdende Bevölkerung und den medizinischen Fortschritt.
Kritik am Bundesamt für Gesundheit
Das Bundesamt für Gesundheit komme seinen Aufgaben nur bedingt nach und treibe die Kostensenkungen nicht voran, kritisiert die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Anstatt diese Probleme zu benennen, werde die Schuld einmal mehr der Alterung der Gesellschaft, dem medizinischen Fortschritt und der Mengenausweitung zugeschoben.
Nach Meinung der SKS leidet das Schweizer Gesundheitssystem unter ökonomischen Fehlanreizen, Überversorgung, starkem Einfluss von Interessengruppen und mangelhaftem Qualitätsmanagement. All dies verursache unnötig hohe Kosten ohne Zusatznutzen.
«Drei fatale Entwicklungen»
«Für viele Haushalte ist die Schmerzgrenze längst erreicht, oder gar überschritten», schreibt die SP Schweiz als Reaktion auf die Erhöhung. Die Linkspartei arbeite deshalb eine «Prämien-Entlastungs-Initiative» aus, die die Prämienlast auf zehn Prozent des Haushalteinkommens beschränken soll. Über die Lancierung soll nächstes Jahr an einer Delegiertenversammlung entschieden werden.
Denn für SP-Vizepräsidentin Barbara Gysi ist klar: «Für die Prämienzahlenden kumulieren sich drei fatale Entwicklungen.» Erstens führe Wettbewerb und Profitstreben zu Mengenausweitung und damit zu höheren Kosten. Zweitens strebten die Krankenkassen nach immer mehr Macht. Und drittens kürzten viele Kantone angesichts einer verfehlten bürgerlichen Finanzpolitik die Prämienverbilligung zusammen. «Die Folge: Die Prämienlast ist für viele Haushalte nicht mehr tragbar», so Gysi.
CVP fordert Kostenbremse
Mit den Worten «Keine Überraschung: Sie steigen!», kommentiert die CVP die Ankündigung von Alain Berset. Vor allem der Mittelstand würde belastet. «Für mittelständische Familien ist die Schmerzgrenze überschritten.»
Es brauche nun eine Kostenbremse im Gesundheitswesen ist die CVP überzeugt. Diese soll dann auch zu einer Prämienbremse für die Versicherten führen. Es brauche nun beispielsweise eine einheitliche Spitalfinanzierung, integrierte Versorgungsnetzte sowie eine Stärkung der Eigenverantwortung.