Als Wladimir Putin im September 2022 die Mobilisierung der Armee verkündet, verlässt Alexander Euler Russland innert weniger Tage. «Ich möchte niemanden zerstören, ich möchte nicht sterben!», begründet Alexander Euler den Entscheid.
Im vergangenen Sommer bekam er Post vom Staatssekretariat für Migration. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Aus Sicht der Schweizer Behörden konnte Alexander Euler nicht glaubhaft machen, dass er bei einer Rückkehr nach Russland eingezogen wird.
Umgang mit Kriegsdienstverweigerern
Zu laufenden Asylverfahren nimmt das SEM keine Stellung. Zur allgemeinen Praxis schreibt die Behörde auf Anfrage von SRF: «Asylgesuche von Personen aus Russland, die Kriegsdienstverweigerung glaubhaft geltend machen, werden vom SEM zurzeit nicht entschieden und zurückgestellt.»
Aus Sicht der Schweizer Behörden ist es nicht möglich, abzuschätzen, ob die Bestrafung für Wehrdienstverweigerung in Russland unverhältnismässig oder unmenschlich ist. Da Alexander Euler jedoch aus Sicht des SEM nicht einem grösseren Risiko ausgesetzt ist, in die Armee eingezogen zu werden, wie alle andere Menschen in Russland, wurde in seinem Fall ein Entscheid gefällt.
Kampf um Aufenthalt
Das Asylgesuch wurde abgelehnt, obwohl die Eltern von Alexander Euler Post von der russischen Armee erhalten haben. Darin wird Alexander Euler aufgefordert, sich zur Klärung seiner Daten im Rekrutierungszentrum zu melden. Laut russischen Gesetzen ist dies kein Marschbefehl. Doch die letzten zwei Jahre haben klar gezeigt: Betritt ein Mann ein russisches Rekrutierungszentrum, landet er mit grosser Wahrscheinlichkeit an der Front.
Für Alexander Euler ist eine Rückkehr nach Russland keine Option. Er hofft, über ein Bürgerrechtsverfahren in der Schweiz bleiben zu können. Er ist nicht der erste in der Familie Euler, der um einen Aufenthalt in der Schweiz kämpft. Nach der Revolution in Russland 1917 flüchteten mehrere Nachkommen Leonhard Eulers aus dem Land. Es folgte ein mehrjähriger Rechtsstreit, bevor erstmals in den 1930er-Jahren Nachkommen Eulers als Basler Bürger anerkannt wurden.
In der Schweiz sei dies früher möglich gewesen, so der emeritierte Staatsrechtsprofessor der Universität St. Gallen, Rainer J. Schweizer: «Man hat im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anerkannt, dass es Menschen mit einem alten Bürgerrecht aus der Eidgenossenschaft gibt.» Dies sei als Grund für eine Wiedereinbürgerung angenommen worden.
Höhere Hürden
In der Frage um die Wiedereinbürgerung der Nachfahren von Leonhard Euler ist die Bürgergemeinde der Stadt Basel zuständig. Der Präsident der Einbürgerungskommission, Stefan Wehrle, weist auf eine Gesetzesverschärfung hin: «Seit den 1950er-Jahren ist es so, dass man die schweizerische Staatsbürgerschaft verloren hat, wenn man eine andere hatte und im Ausland geboren ist. Bis zum 22. Altersjahr hat man Zeit, eine solche Beibehaltungserklärung abzugeben.»
Eine Wiedereinbürgerung dürfte für Alexander Euler schwierig werden, da sein Vater sich nicht innerhalb der Frist bei den Schweizer Behörden gemeldet hat. Gegen den Entscheid des SEM hat er Rekurs vor Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Unabhängig vom definitiven Asylentscheid hat er nicht vor, einen Einsatz an der Front zu leisten: «Wenn ich zurück nach Russland muss, gehe ich nicht zur russischen Armee. Besser ich gehe ins Gefängnis als in den Krieg!»