Am Montagnachmittag mussten hiesige Banken auf Geheiss des Bundesrates die Finanzvermögen von Hunderten reichen Russen einfrieren. Damit können die Betroffenen nicht mehr auf ihr Geld in der Schweiz zurückgreifen, laut NZZ über 100 Milliarden Franken.
Dass der Bundesrat erst am Montag statt bereits letzten Donnerstag die US- und die EU-Sanktionen übernahm, empörte viele in der Schweiz – auch Mattea Meyer, die Co-Präsidentin der SP Schweiz. Gegenüber SRF sagte sie gestern, der Bundesrat habe vier Tage Zeit gelassen, «in denen die russischen Oligarchen ihre Milliarden abzügeln konnten. Und das ist unentschuldbar.»
Sind Milliarden abgezügelt worden?
Nur, stimmt das? Ausser den einzelnen Banken kann zurzeit niemand wissen, ob, und wenn ja, wieviel Vermögen seit Donnerstag von Russen aus der Schweiz transferiert worden ist. Öffentliche Zahlen liegen nicht vor. Aber: Alle Indizien sprechen dagegen, dass Geld im grösseren Stil transferiert worden ist.
Die Finma – die eidgenössische Finanzmarktaufsicht – beurteilt den Umgang mit ausländischen Sanktionen auf der Basis des schweizerischen Aufsichtsrechts. Finanzinstitute, erklärt die Finma gegenüber SRF, müssen die Rechts- und die Reputationsrisiken, welche aus ausländischem Recht erwachsen, «analysieren, minimieren und angemessen kontrollieren». Dies gelte auch im Umgang mit Sanktionen. «Wir sind über das direkte Exposure der von uns beaufsichtigten Banken und Versicherungen gegenüber den betroffenen Staaten im Bilde», schreibt Finma-Sprecher Vinzenz Mathys. Das gelte insbesondere für Gesellschaften, die von möglichen internationalen Sanktionen betroffen sind.
Das heisst: Weil sich eine Bank, die weltweit geschäftet, bei der Umgehung von US-Sanktionen selber einem grossen Risiko aussetzt (Ausschluss aus Transaktionsmarkt mit US-Dollar zum Beispiel), darf sie die Sanktionen eigentlich nicht brechen. Sie würde ihr eigenes Risikomanagement unterlaufen.
Banken dürfen das Risiko nicht eingehen
«Ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass eine Schweizer Bank mit Filialen im Ausland, das tun würde», sagt Peter V. Kunz, Direktor am Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Bern. «Das Risiko ist einfach viel zu hoch – keine Schweizer Bank will ins Kreuzfeuer der US-Behörden geraten.» Spekulationen, wonach sanktionierte Russen in den letzten Tagen eingereist seien und riesige Beträge bar abgehoben hätten, glaubt Kunz nicht: «Die würden direkt am Schalter kaum grössere Beträge erhalten. Davon bin ich absolut überzeugt. Bei Banken, die in Frage kommen, sind die Pforten seit den US-Sanktionen geschlossen.»
SRF hat bei verschiedenen Banken direkt nachgefragt und von einigen eine Antwort erhalten. «Alleine schon das Bankenausfsichtsrecht», so schreibt die ZKB, «gibt vor, Risiken zu beachten, die sich aus einer ausländischen Rechtsordnung ergeben.» ZKB-Sprecher Marco Metzler stellt deshalb klar: «Die ZKB hält sich strikt an alle geltenden Gesetze – dazu zählen auch Sanktionen von internationalen und supranationalen Gremien.»
Etwas allgemeiner, aber in derselben Stossrichtung nimmt die CS Stellung: «Die Credit Suisse hält sich an alle Gesetze und Vorschriften und arbeitet mit internationalen Aufsichtsbehörden zusammen.»
Banken übernahmen US-Sanktionen
Eine der grossen Schweizer Banken im internationalen Vermögensgeschäft ist Julius Bär. Evelyne Brönnimann, Sprecherin der Bank, lässt unmissverständlich ausrichten: «Julius Bär hält sich an Gesetze und Vorschriften, einschliesslich nationaler und internationaler Sanktionen.»
Fazit: Obwohl Schweizer Banken nach Schweizer Recht agieren müssen, schlossen sie die «Pforten» wohl bereits, als die US-Sanktionen am Donnerstag in Kraft traten. Sie würden, hätten sie das nicht getan, selber ein erhebliches Risiko für ihre Bank eingehen, womit sie wiederum gegen ihre eigene Corporate-Pflichten verstiessen und ein Fall für die Finma würden. Es scheint, dass Mattea Meyers Banken-Bashing nach heutigem Wissensstand ins Leere läuft.