Sollen Waffen oder Munition aus der Schweiz von Drittländern an die Ukraine weitergegeben werden dürfen? Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats hat am Donnerstag einen Kompromiss rund um das Kriegsmaterialgesetz gutgeheissen. Kommissionspräsident Werner Salzmann erklärt, ob das die grosse Wende in der heiss umstrittenen Diskussion war.
SRF News: Sind wir einer Lösung rund um die Frage nach Waffenweitergaben einen Schritt näher?
Werner Salzmann: Es ist ein kleiner Schritt für einen Lösungsvorschlag. Wir sind aber noch sehr weit von einer Lösung entfernt.
Die ständerätliche Kommission hat mehrere Vorschläge auf dem Tisch gehabt. Einer kommt von der Nationalratskommission. Für die Ukraine entscheidend ist hier, dass die Waffenweitergabe an einen Entscheid der UNO geknüpft würde. Das hat der Nationalrat im Frühling aber abgelehnt. Warum versucht Ihre Kommission es noch einmal?
Der gleiche Nationalrat hat auch eine parlamentarische Initiative verabschiedet und in unsere Kommission geschickt. Darin stützt er genau auf dieses Recht ab, um eine Weitergabe zu ermöglichen.
Deshalb haben wir das angeschaut und die Mehrheit der Kommission war der Meinung, dass wir auf diese parlamentarische Initiative der SiK-NR eintreten wollen – diese aber an gewisse Bedingungen knüpfen und weitere Prüfungen vornehmen wollen.
Ist diese Idee nicht aussichtslos? Der Nationalrat befand ja, die UNO-Generalversammlung habe keine Befugnis, das Neutralitätsrecht aufzuheben.
Das werden wir sehen. Eine Minderheit unserer Kommission ist der Ansicht, dass es neutralitätsrechtlich nicht möglich ist, mit einer solchen Lösung die Wiederausfuhr zu genehmigen. Eine Mehrheit ist aber der Meinung, dass man dies trotzdem vertiefter prüfen will.
Wir brauchen eine Rüstungsindustrie, die Betrieb und Unterhalt unserer Armee sicherstellt. Das ist zentral für die bewaffnete Neutralität.
Wir hatten am Donnerstag auch Anhörungen von Völkerrechtsprofessorinnen und -Professoren. Auch sie waren unterschiedlicher Meinung. Trotzdem wäre es auf diese Weise wahrscheinlich am ehesten möglich, die Ausfuhr im Rahmen des Neutralitätsrechts zu genehmigen.
Ihre Kommission hatte noch einen zweiten Vorschlag auf dem Tisch. Demnach sollen gleichgesinnte Staaten nach fünf Jahren Wartezeit Schweizer Waffen an Staaten weitergeben dürfen, die keinen Krieg führen oder an solche, die sich gegen einen völkerrechtswidrigen Angriff verteidigen. Das scheint neutralitätspolitisch heikel. Können Sie dahinter stehen?
Dieser Vorschlag stammt ursprünglich aus der SiK-SR. Dieser wurde von der Schwesterkommission nicht genehmigt. Wir haben nun trotzdem mehrheitlich zugestimmt und möchten den Vorschlag im Ständerat behandeln. Auch hier gibt es neutralitätsrechtlich Fragezeichen. Wir befinden uns in der ersten Phase der parlamentarischen Initiative und ihr Text ist nicht sakrosankt. Wenn die Initiative in die zweite Phase geschickt wird, muss ein Gesetzestext erarbeitet und die Frage der Neutralität im Detail geprüft werden.
Auch wenn der Text nicht sakrosankt ist: Ist das nicht in erster Linie Exporthilfe für die Schweizer Rüstungsindustrie?
Natürlich machen wir uns Sorgen wegen der Schweizer Rüstungsindustrie. Denn es gibt Anzeichen, dass nicht mehr geliefert werden kann und Bestellungen in der Schweiz nicht mehr anfallen. Wir brauchen eine einheimische Rüstungsindustrie für unsere Milizarmee. Wir brauchen das Personal und die Waffen. Wir brauchen aber auch eine Industrie, die Betrieb und Unterhalt unserer Armee sicherstellt. Das ist zentral für die bewaffnete Neutralität.
Das Gespräch führte Nina Gygax.