Die hiesige Stahlbranche habe eine «herausragende Bedeutung für die Schweizer Kreislaufwirtschaft», befand eine Mehrheit der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates diese Woche. Entsprechend sollen die betroffenen Firmen weniger für die Nutzung der Stromnetze zahlen müssen.
Der Ruf nach dem Staat ist nachvollziehbar, aber unangemessen und kurzsichtig. Nachvollziehbar ist er aus Sicht der Angestellten: Jede Form von Hilfe ist willkommen, wenn damit ihre Arbeitsstelle erhalten bleibt. Vor diesem Hintergrund ist auch das Engagement der Gewerkschaften und der Lokalpolitik nachvollziehbar. Das gilt ebenso für die Begründung: Stahl lokal produzieren, ist ökologischer als ihn von weit her importieren.
Ein unverhältnismässiger Plan in doppelter Hinsicht
Unangemessen ist der Entscheid gegenüber all den anderen Unternehmen, die viel Strom verbrauchen und auch hohe Kosten haben. Sie erhalten keine zusätzliche Entlastung. Unangemessen ist der Entscheid aber auch für Privathaushalte und alle anderen Firmen. Sie zahlen weiterhin die vollen Netznutzungsgebühren, damit das Stromnetz gewartet und ausgebaut wird. Aber ausgerechnet jene, die besagtes Netz besonders beanspruchen, werden entlastet. Das ist primär einmal «unsolidarisch» – und damit das Gegenteil, was die Kommission in ihrer Stellungnahme behauptet.
Ausserdem folgt der Ruf nach dem Staat auch keiner industriepolitischen Logik. Stahl ist heute ein x-beliebiges Produkt – ein Versorgungsengpass droht nicht. Im Gegenteil: Weltweit herrscht ein Überangebot. Staatliche Hilfe mag kurzfristig helfen – langfristig dürfte der Strukturwandel aber nicht aufzuhalten sein.
Bei vielen anderen Produkten stellt sich die Frage nach einer schweizerischen Industriepolitik schon viel eher: Nämlich dort, wo wichtige Güter knapp sind und die Lieferketten in den Händen von wenigen Staaten oder Firmen. Das ist etwa bei gewissen Medikamenten der Fall.
Kurzsichtig ist das Vorgehen noch aus einem anderen Grund: Wer erhält Hilfe – wer nicht? Die Uhrenbranche etwa klagt auch, sie leide unter dem starken Franken. Deshalb ruft sie ebenfalls nach staatlicher Hilfe. Wo also ist die Grenze?
Die Politik muss nicht erstaunt sein, wenn schon bald weitere Branchen laute Forderungen stellen. Denn die wirtschaftlich garstigen Zeiten dürften erst noch kommen.