Terrassenstreit, Beizentourismus, Krisenfenster: Pandemie-Wortschöpfungen wie diese, flankiert vom berühmten «Flickenteppich», fielen in den heisseren Corona-Phasen immer wieder. Die Begriffe verwiesen auf die negativen Seiten von Föderalismus oder eben «Kantönligeist» bei der Pandemiebekämpfung. Und manchmal überschatteten sie, dass kantonale Zugänge auch Stärken zeigen konnten, bei Testregimes etwa.
Forderung nach klaren Zuständigkeiten
Entsprechend fordert die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) nun eine Klärung der Zuständigkeiten: eine Regelung, wer wann wofür verantwortlich ist. Das deckt sich mit den Empfehlungen in der kürzlich veröffentlichten Krisenevaluation im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit.
Mehr noch: Sollte sich die Lage wieder ernsthaft zuspitzen, wollen die Kantone nun «nicht zu lange an dezentralen Massnahmen festhalten», wie es der Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) sagt, der Basler Mitte-Regierungsrat Lukas Engelberger: «Hier sollten wir nicht mehr naiv sein in Zukunft. Wir sind ein Land mit hoher Binnenmobilität.» Sprich: Tobt das Virus landesweit überall etwa gleich stark, wünschen sich die Kantone einheitliche Massnahmen vom Bund.
Bund soll für Massnahmen aufkommen
Damit einher gehen finanzielle Forderungen: «Wer zahlt, befiehlt – oder umgekehrt: Wer befiehlt, zahlt», wie es der Präsident der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren sagt, der Zürcher SVP-Regierungsrat Ernst Stocker. Anders gesagt: Trifft der Bund Massnahmen, soll er auch dafür aufkommen. Das soll im Übrigen auch für Krisen anderer Art gelten: eine Strommangellage oder eine grosse Flüchtlingswelle.
Das dürfte noch zu reden geben: Bereits bis jetzt hat der Bund den grössten Teil der Coronakosten geschultert. Entsprechend haben sich schon verschiedene Finanzpolitikerinnen und -politiker gemeldet, welche die Kantone hier angesichts ihrer teils grossen derzeitigen Überschüsse stärker in die Pflicht nehmen möchten.
Mögliche Probe im Herbst
Eine erste Bewährungsprobe könnte diesen Herbst anstehen, falls sich die epidemiologische Lage dann wieder verschlechtert. Eine erneute Rückkehr in die besondere Lage mit grösseren Bundeskompetenzen möchte der Bundesrat unter allen Umständen vermeiden, wie er zuletzt klarmachte: Diese sei höchstens im Fall einer «erneuten, besonders heftigen Pandemiewelle» gerechtfertigt, schreibt er.
Der Bundesrat geht also davon aus, dass die Kantone eine nächste Welle grösstenteils selber bewältigen. Das hingegen geht nun den Kantonen zu weit: Sie sind der Ansicht, «dass der Bund die Hürde für eine Rückkehr zu national einheitlichen Massnahmen zu hoch ansetzt», so GDK-Präsident Engelberger. Das sind neue Vorzeichen in der Pandemiebewältigung von Bund und Kantonen.