Wer ein Kind in die Obhut einer Krippe gibt, vertraut darauf, dass es dort gut betreut wird. Darum werfen die Vorwürfe an Globegarden, den grössten Schweizer Anbieter von Kinder-Tagesstätten, hohe Wellen.
Ehemalige Angestellte erzählten im Magazin «Republik» von schwerwiegenden Vorfällen. Zu wenig Betreuungs-Personal, Kinder, die nicht genug zu Essen bekommen und gestresst sind wegen ständiger Personalwechsel. Für Estelle Thomet vom Verband Kinderbetreuung Schweiz sind nun die Politik, aber auch die Eltern gefordert.
SRF News: Die Vorwürfe sind happig. Trotzdem sagt der Zürcher Sozialvorsteher, Globegarden sei weder in die eine noch in die andere Richtung besonders aufgefallen. Da denkt man als Eltern doch, die Zustände in anderen Krippen seien noch viel schlechter. Ist das nicht ein Armutszeugnis für die Schweiz?
Estelle Thomet: Die im Raum stehenden Vorwürfe sind wirklich schockierend. Teilweise haben sie ja potenziell strafrechtlichen Charakter, da kann man wirklich nicht von einem Branchen-Standard ausgehen. Im Gegenteil – und das wissen auch ganz viele Eltern, die ihre Kinder betreuen lassen.
Es gibt viele gute Kitas, die mit Professionalität und Herzblut alles machen für das Kindswohl. Sie geben alles, was sie haben, innerhalb der Rahmenbedingungen, die vorliegen. Sie setzen sich neben der täglichen Arbeit mit Qualitätsmanagement auseinander und lassen sich zum Beispiel auch mit einem Qualitätslabel zertifizieren.
Dieser Fall wirft trotzdem ein schiefes Licht auf die ganze Branche. Beunruhigt Sie das aus Verbandssicht nicht?
Natürlich, es ist kein schöner Tag für die Kita-Welt. Es beunruhigt. Gleichzeitig sagen die meisten Stimmen aus der Branche, die ich höre, es sei wichtig, dass das aufgedeckt werde.
Gut wird es aufgedeckt.
Die Branche schreit geradezu nach Kontrollen und sagt: «Hey kommt, macht unangemeldete Kontrollen!» Gerade diejenigen, die seriös arbeiten, wollen dies um so mehr. Es ist also beunruhigend, aber gut wird es aufgedeckt. Es geht um das Wohl der Kinder in der Schweiz.
Und trotzdem sind Sie als Verband jetzt auch gefragt und gefordert. Zum Beispiel würde ein Gesamtarbeitsvertrag mit Mindestlöhnen etwas bringen, meint der Sozialvorsteher. Was machen Sie jetzt?
Die Problematik des Gesamtarbeitsvertrags ist, dass er nicht die finanziellen Mittel einer Branche plötzlich erhöht. Mittel, die in unserer Branche eigentlich dringend nötig wären, wenn sie dem Anspruch der Gesellschaft gerecht werden sollte.
Eltern sind Bürgerinnen und Bürger, die politische Forderungen stellen können.
Es ist ja nicht nur die familienergänzende Betreuung im Sinne der Vereinbarkeit – ein Interesse des Staates. Es geht auch darum, die Kinder bestmöglich zu fördern, das ganze Wissen über die frühkindliche Förderung. Das muss man sich fragen: Wie viel Geld ist uns die positive Entwicklung unserer Kinder wert?
Jetzt stellt sich die Frage: Was können die Eltern machen, um sicherzustellen, dass es dem Kind in der Krippe gut geht?
Eltern sind Bürgerinnen und Bürger, die politische Forderungen stellen können. Sie können verlangen, dass der Staat seine Kontrollen konsequent durchführt oder die Gesetzgebung verschärft.
Was sie jeden Tag machen können, ist die Erziehungspartnerschaft zu pflegen, mit den Kitas im Gespräch zu bleiben. Wenn ihnen etwas auffällt, können sie das ohne Hemmungen ansprechen. Und zuletzt: Sie haben immer die Möglichkeit, ihre Ängste oder Vermutungen bei einer Aufsichtsbehörde, die aktiv werden muss, zu deponieren.
Das Gespräch führte Susanne Wille.