Gegen 500 Gemeinden schweizweit tragen das Label Energiestadt. Im Kanton Graubünden sind 17 Gemeinde dabei. Eine davon trägt gar die höchste Auszeichnung: St. Moritz ist Energiestadt Gold. Aber nicht mehr lange. Sie gibt nicht nur den Gold-Status auf, St. Moritz steigt ganz aus dem Label aus.
Zu viel Aufwand für wenig Ertrag
Seit 2003 ist St. Moritz dabei und hat auch viele gute Erfahrungen damit gemacht, sagt der zuständige Gemeindevorstand Gian Marco Tomaschett: «Zu Anfangszeiten war dieses Label eine sehr wichtige Geschichte und auch wichtig, dass wir dort mitgemacht haben.»
Mittlerweile hätten die Gesetzgebung und die Sensibilisierung der Bevölkerung das Label Energiestadt so weit überholt, dass für die Gemeinde das «Kosten-Nutzen-Verhältnis» nicht mehr aufgehe. Das Bewusstsein bei den Leuten sei heute da, ob mit oder ohne Label.
Diese Kosten stehen in keinem Verhältnis dafür, dass wir am Dorfrand eine kleine Plakette erhalten haben.
Um im Verein Energiestadt zu sein, müssen die Gemeinden jährlich einen Mitgliederbeitrag zahlen, die Beitragshöhe misst sich an der Anzahl Einwohnerinnen und Einwohner. Der Gemeinde wird eine Energiestadt-Beraterin zur Seite gestellt. Diese zahlt die Gemeinde nach ihrem Aufwand. St. Moritz hat bis jetzt jährlich rund 450'000 Franken ausgegeben. Darin sind Kosten für Energieprojekte, aber auch für Beratungen enthalten. Aufwand und Ertrag gingen nicht auf, sagt Gian Marco Tomaschett gegenüber dem «Regionaljournal Graubünden».
In St. Moritz hat sich eine Person während 20 Prozent ihrer Arbeitszeit, also an einem Tag in der Woche, ausschliesslich um das Label gekümmert. Sie hat Daten gesammelt und zusammen mit der Energiestadt-Beratung bewirtschaftet. Dazu sagt Gian Marco Tomaschett: «Diese Kosten stehen in keinem Verhältnis dafür, dass wir am Dorfrand eine kleine Plakette erhalten haben.» Das sei zu viel Aufwand für wenig Ertrag, so Tomaschett. Darum gibt St. Moritz sein Label nach fast 20 Jahren zurück.
Wir wollen nicht zurück in die Steinzeit.
Auch ohne Label bleibe Nachhaltigkeit in St. Moritz ein wichtiges Thema. Was mit dem Geld passiert, das bis anhin ins Gold-Label floss, kann Gian Marco Tomaschett noch nicht sagen. Man wolle aber «nicht zurück in die Steinzeit», sondern mehr in eigene Projekte investieren, so zum Beispiel in die Fenster-Sanierung bei Gemeindebauten.
Das Label als Anreiz und Instrument
Neben der Energiestadt-Beraterin, welche der Trägerverein Energiestadt seinen Mitgliedsgemeinden zur Seite stellt, gibt es einen Beitrag vom Bundesamt für Energie. Daneben bekommen die Gemeinden den Anreiz und das Instrument, sich Ziele zu setzen, Massnahmen umzusetzen und sich zu verbessern, sagt Aldo Danuser vom Gemeindevorstand Landquart. Seine Gemeinde schmückt sich schon seit Jahren mit dem Label Energiestadt und sei zufrieden damit.
St. Moritz sei eben erst Gold-Stadt geworden und damit aufgestiegen zu den Besten in der Schweiz und auch den europäisch guten Gemeinden, heisst es beim Verein. Darum sei man über den Abgang von St. Moritz besonders enttäuscht. «Ich bedaure das sehr und wäre froh, wenn sich St. Moritz das nochmals überlegen würde», sagt Barbara Schwickert, Co-Geschäftsführerin.
Auf die Kritik von St. Moritz angesprochen, dass das Label zu aufwendig sei, sagt sie: «Das Label Energiestadt ist nicht einfach etwas, das man einmal macht und dann die Plakette irgendwo aufhängt. Das Label ist ein laufender Prozess, in den man investieren muss.»