Laut dem jüngsten Bericht von Sucht Schweiz werden weltweit Rekordmengen an Kokain beschlagnahmt – und in der Schweiz steigt die Zahl derjenigen, die sich wegen Kokainproblemen behandeln lassen wollen. Die Alternative Linke hat einen Pilotversuch für den kontrollierten Kokainverkauf in Bern eingebracht und das Stadtparlament hat Ja gesagt.
«Aktuell wird eine repressive Drogenpolitik betrieben. Dadurch wird der Handel und Konsum in den Untergrund getrieben», sagt Eva Chen, Stadträtin Bern/AL. «Dadurch hat man keine Kontrolle – und auch keine Möglichkeit für Präventionsmassnahmen.»
Unterstützung vonseiten der Zürcher FDP
Bern steht damit nicht alleine da, sondern bekommt Unterstützung von der FDP in Zürich. Einzelne Vertreter der städtischen und kantonalen Partei hatten 2021 ähnliche Vorstösse eingegeben, ohne Erfolg. Aufgeben wollen sie aber nicht.
«Einen Pilotversuch könnte ich mir durchaus auch in unserer Stadt vorstellen. Die FDP hat ein Positionspapier dazu erlassen. Das wäre sicher ein guter Versuch, um Erfahrungswerte sammeln zu können», sagt Përparim Avdili, Präsident der Stadtzürcher FDP.
Die Stadtzürcher FDP ist damit nicht alleine: Das Positionspapier der Basler FDP spricht ebenfalls deutlich vom Umgang mit harten Drogen: «Ausgehend von der Freiheit des Menschen, sich selber zu schädigen, sollen Drogen grundsätzlich nicht verboten, sondern legalisiert, kontrolliert und besteuert werden, um dem Leid bringenden Schwarzmarkt die Grundlage zu entziehen.»
Die Liberalisierung von harten Drogen sei längst kein links-grünes Anliegen mehr, sondern ein liberales, heisst es bei Zürcher FDP-Vertreterinnen: «Neue Generationen von FDP-Jungen kommen, die ganz eine andere Einstellung haben zu Drogen, die weit weg sind vom früheren Platzspitz und das nicht mehr so kennen», sagt FDP-Kantonsrätin Angie Romero.
Der Verkauf stellt das Projekt vor Herausforderungen
Boris Quednow, leitender Psychologe/Forschungskoordinator der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universitätsklinik Zürich sagt, die Schweiz habe die Drogenszene in den Griff bekommen durch medizinische Behandlungen. Diese «hochinnovativen» Behandlungen hätten weltweit Nachahmer gefunden – und das gesellschaftliche Problem, das mit dem Konsum bestand, behoben. «Es ist aber etwas fundamental anderes, ob ich ein medizinisches Problem behandle, als einen kontrollierten Verkauf für gesunde Personen zum hedonistischen Gebrauch einzuführen.»
Letzteres könnte gravierende Folgen haben – vor allem aus medizinischer Sicht. Quednow zufolge werde besonders das Herz-Kreislauf-System geschädigt, auch kognitive Nebenwirkungen, wie die Konzentrationsfähigkeit, können auftauchen. «Gedächtnisprobleme entstehen schon bei einem Freizeitkonsum, und nicht erst beim abhängigen Konsum», so der Experte. Am Schluss sei es immer noch eine Substanz, die dazu führe, dass man nie genug hat. «Das macht Kokain so besonders und ist anders als Opiate oder Alkohol oder Cannabis.»
Der Experte ist kein Fan des kontrollierten Kokainverkaufs – und hat auch Vorbehalte gegenüber einem Pilotprojekt. Dieses könne einen auch für ihn wichtigen Aspekt nämlich nicht klären: Ob der Schwarzmarkt für Kokain durch den legalen Verkauf tatsächlich ausgetrocknet wird.