Es beginnt mit dem Titel «Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg» und mit einer emotionalen Soundmischung: Das Erklärvideo des militärischen Nachrichtendienstes mit seinem stellvertretenden Chef Stefano Trojani als Hauptakteur.
Kurz nach einer Begrüssung mit sehr ernstem Unterton folgt ein Satz, der Irritationen auslösen kann: «Es ist ungewöhnlich, dass sich Vertreter oder Angehörige des Nachrichtendienstes an die Öffentlichkeit richten», so Trojani. Die Schweizer Armee versuche hier, Informationen oder Überlegungen aus erster Hand zu geben, um so nahe wie möglich an der Realität zu sein.
Es folgen geografische Informationen, wie beispielsweise, dass die Schweiz kleiner ist als die Ukraine und wie weit das Land von uns entfernt ist. Das Video gibt Rückblicke und Sicherheitsanalysen wider sowie die Einschätzung Trojanis, dass «wir eine Boden- und Luftdimension haben, die verschiedene Charakteristiken haben und die dem Schweizer Territorium ähnlich sind».
Diese und weiteren Parallelen seien seltsam, meint die Zürcher Nationalrätin Marionna Schlatter, welche für die Grünen in der Sicherheitspolitischen Kommission sitzt: «Die Schweiz ist in einer ganz anderen Situation als die Ukraine.» Deshalb fragt sie sich. «Braucht es so etwas wirklich?»
Ein Werbevideo für Armeebeschaffungen?
Für Schlatter wirkt diese Aktion des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) eher als Werbevideo. «Es wird versucht zu begründen, warum man für das Militär zusätzliche Mittel braucht. Das VBS ist in einem Erklärungsnotstand», so die Meinung von Marionna Schlatter. Sie nimmt damit auch Bezug auf den Teil des Videos, in dem erklärt wird, warum beispielsweise Drohnen und Panzer beschafft werden sollten.
Ähnlich tönt es auf Anfrage bei Ida Glanzmann. Die Nationalrätin aus dem Kanton Luzern ist in der Sicherheitspolitischen Kommission und aus der gleichen Partei wie Verteidigungsministerin Viola Amherd (Die Mitte). Sie hat zwar grundsätzlich kein Problem mit dem Video, findet es aber auch etwas merkwürdig.
Sie ist nicht die einzige Vertreterin der Mitte-Partei, welche ein kleines Fragezeichen hinter diese Aktion macht. Thomas Rechsteiner, Nationalrat aus dem Kanton Appenzell-Innerrhoden, findet zwar Youtube als Ausstrahlungsmedium «sicher zeitgerecht». Das Video zeige, dass die Armee im digitalen Zeitalter angekommen ist. Aber: «Ein bisschen kritisch schaue ich den Inhalt an. Es braucht schon noch Zusatzerklärungen, um zu verstehen, wie der Ukraine-Krieg auf die Schweiz adaptiert werden kann.»
Unterstützung für die Armee gibt es aus dem Kanton Bern, nämlich von SVP-Ständerat Werner Salzmann, ebenfalls Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission. Ihm gefällt das Video. Und: «Die Aufgabe der Armee ist aufzuklären, welches die Massnahmen hinter Auswirkungen sind, die man sieht. Jetzt ist es der Ukraine-Krieg. Deshalb finde ich es wichtig, dass man zeigt, was die Konsequenzen für die Schweiz sind.»
Armeechef: Informationsbedürfnis der Bevölkerung
Was sagt Armeechef Thomas Süssli zum Video? Er selber hat das Video vor zwei Tagen auf Twitter geteilt. Der 55-Jährige nimmt gegenüber der Sendung «10vor10» Stellung: Das Erklärvideo sei aus einem Informationsbedürfnis der Bevölkerung heraus entstanden.
«Wir haben über die letzten Wochen und Monate festgestellt, dass es viele Bürgerinnen und Bürger gibt, aber auch Armeeangehörige, die sich für den Konflikt in der Ukraine interessieren und dafür, was es für die Schweizer Armee bedeutet», so Süssli. Begriffe wie «hybride Kriegführung» würden deshalb im Video erklärt.
Auf die Frage, ob so etwas Aufgabe des VBS sei, antwortet der Armeechef: «Im VBS haben wir den militärischen Nachrichtendienst mit Experten. Diese überprüfen laufend, was auf der Welt, was im Ukraine-Krieg passiert. Das legitimiert uns, die Bürgerinnen und Bürger zu informieren.»