Die belarussische Führung ist nach der Festnahme des Bloggers Protassewitsch weiter isoliert. Die EU hat Sanktionen ausgesprochen. Doch wie reagiert die offizielle Schweiz? Der Schweizer Diplomat Johannes Matyassy erklärt die Schweizer Schritte nach dem Vorfall am Samstag, und warum sie genau so vorgeht.
SRF News: Wie reagiert die Schweiz auf die Geschehnisse in Belarus?
Johannes Matyassy: Selbstverständlich sind wir sehr besorgt darüber, was da abgelaufen ist. Wir haben sofort reagiert. Einerseits über einen Tweet, andererseits haben wir den belarussischen Botschafter einbestellt. Ich werde ihn morgen treffen. Ich will von ihm wissen, was sie sich dabei überhaupt gedacht haben, als sie so eine Aktion geplant haben. Wir haben umgehend eine internationale Untersuchung gefordert und haben diese Forderung heute Nachmittag im Rahmen einer Sondersitzung des ständigen Rates der OSZE wiederholt.
Reicht das, was die Schweiz jetzt macht?
Ich denke, es ist eine sehr solide und starke Reaktion der Schweiz. Man muss sich aber auch immer etwas Spielraum offen lassen: Wir wollen zuerst das Ergebnis der Untersuchung anschauen, was genau vorgefallen ist. Wir müssen immer aufpassen, nicht auf einen von Empörung getriebenen Megafon-Trip aufzusteigen. Wir müssen auch in solch schwierigen Situationen gegen aussen eine solide Haltung der Schweiz vermitteln.
Ich denke es ist eine sehr solide und starke Reaktion der Schweiz.
Die EU ergreift Wirtschaftssanktionen gegen einzelne Personen, gegen einzelne Firmen. Müsste das die Schweiz nicht auch tun?
Wir schauen uns genau an was die EU für Sanktionen erlässt. Sie hat in der Vergangenheit bereits Sanktionen erlassen, da haben wir uns auch angeschlossen. Jetzt müssen wir schauen, welche zusätzlichen Sanktionen sie diesmal verhängt. Wir werden das in der bewährten Form prüfen, die verschiedenen Interessen der Schweiz mit einbeziehen. Und wir werden sicherstellen, dass die verschiedenen Sanktionen der EU nicht über die Schweiz umgangen werden können.
Die EU ergreift konkret Massnahmen gegen weissrussische Airlines. Müsste die Schweiz das nicht auch tun?
Die EU hat ein Überflugverbot erlassen. Wir müssen da nichts unternehmen, denn wenn nicht über EU-Gebiet geflogen werden kann, kann man unmöglich in die Schweiz gelangen. Die Swiss hat selbständig festgelegt, dass sie nicht mehr über Weissrussland fliegt. Wir sind aber laufend daran, die Situation zu beurteilen und uns entsprechend zu positionieren.
Die Schweiz hat vor zwei Jahren in Belarus eine Botschaft eröffnet und stark auf bessere Beziehungen gesetzt. Ist dieses Projekt nun gescheitert?
Überhaupt nicht, im Gegenteil. Unsere Botschaften sind nicht nur für Schönwetter zuständig, sondern vor allem auch für Krisensituationen. Unser Botschafter ist zum Beispiel im Fall der gefangenen Doppelbürgerin Natalja Hersche extrem aktiv: Er hat sie schon neun Mal besucht und kämpft vor Ort dafür, dass sie frei kommt. Ohne Botschaft könnten wir das nicht.
Unsere Botschaften sind nicht nur für Schönwetter zuständig, sondern vor allem auch für Krisensituationen.
Ergreift die Schweiz nicht schärfere Sanktionen, weil sie ihre Vermittlerrolle in Belarus nicht gefährden will?
Es ist die grundsätzliche Haltung der Schweiz, dass sie nicht von sich aus Sanktionen ergreift. Wenn die UNO Sanktionen verhängt, dann übernehmen wir diese. Wenn die EU Sanktionen ergreift, dann prüfen wir sie und wägen die verschiedenen Interessen ab. Zudem stellen wir sicher, dass die Sanktionen nicht über die Schweiz umgangen werden können.
Das Gespräch führte André Ruch.