Elias Burch setzt zum Reden an, merkt dann aber, dass keines seiner Worte beim Gegenüber ankommen würde. Also lässt er es bleiben. Er lässt erst die lange Kolonne von Motorrädern vorbeirattern, die mit röhrenden Motoren zum Glaubenbergpass hochfährt, und sagt dann in die allmählich zurückkehrende Stille hinein: «Das ist normal hier. Manchmal sind es noch mehr.»
Der Glaubenbergpass, die Verbindung zwischen dem Kanton Obwalden und dem luzernischen Entlebuch. Vor allem im Frühling ist die 32 Kilometer lange Passstrasse beliebt bei Motorradfahrerinnen und -fahrern: Sein Scheitelpunkt liegt auf gut 1500 Metern über Meer, darum ist der Pass in der Regel schon im April geöffnet, wenn auf den Alpenpässen noch Schnee liegt.
Töffahrer geniessen Aussicht und Kurven
«Daheim habe ich keine solche Aussicht, darum bin ich jetzt hier und geniesse die Fahrt und die tollen Kurven», sagt eine Motorradfahrerin oben auf der Passhöhe. Wobei neben der schönen Landschaft auch wichtig sei, die Kraft des Motors zu spüren, sagt eine andere Fahrerin: «Es ist schon cool, wenn man etwas Leistung hat und es nach etwas tönt.»
Elias Burch findet das weniger cool. Der junge Landwirt, der direkt an der Passstrasse wohnt, ist mit heulenden Motoren zwar aufgewachsen. «An eine gewisse Lärmkulisse habe ich mich gewöhnt», sagt er. «Aber seit einigen Jahren nimmt der Lärm stark zu. Es sind einfach immer mehr Töffs unterwegs.»
Motorräder erleben seit Jahren einen Boom
Elias Burchs Eindruck täuscht nicht. Die Zahl der Fahrzeuge hat in den vergangenen zehn Jahren zwar generell zugenommen, jene der Motorräder aber stärker als andere: Verglichen mit 2011 sind heute 18.5 Prozent mehr Töffs unterwegs – bei den Autos beträgt der Anstieg 12.6 Prozent.
Mittlerweile klagen nicht mehr nur die Leute an der Passstrasse auf den Glaubenberg über die röhrenden Motorräder. Auch unten im Tal, im Obwaldner Hauptort Sarnen, steigt der Unmut. Etwa bei Romano Cuonz. Die Motorräder wichen längst auch auf Nebenstrassen aus, sagt er. «An einem Sommertag habe ich einmal morgens um halb neun damit begonnen, die Töffs zu zählen, die vorbeifahren. Nachmittags um halb vier habe ich damit wieder aufgehört – ich war auf tausend Töffs gekommen. Ein Wahnsinn.»
An einem schönen Sommertag begann ich zu zählen. Um halb vier war ich bei tausend Töffs.
Die Obwaldner Politik reagiert. Die Zahl der Motorräder auf der Passstrasse zu beschränken, ist zwar nicht möglich, doch die Kantonspolizei führt Lärmkontrollen durch. Der Obwaldner Sicherheits- und Justizdirektor Christoph Amstad lässt zudem prüfen, ob das Temporegime geändert werden kann. «Heute sind auf weiten Teilen der Passstrasse 80 Kilometer pro Stunde erlaubt», sagt er. «Wir schauen nun, ob wir das auf 60 senken und den Lärm so reduzieren können.»
Laute Töffs beschäftigen auch nationale Politik
Auch der Bund beschäftigt sich mit Motorenlärm: Im eidgenössischen Parlament sind mehrere Vorstösse zum Thema hängig, ausserdem ist ein neues Gesetz gegen Motorenlärm in Arbeit; zu laute Motorräder könnten dann strenger gebüsst werden als heute.
Nicht alle Leute in Sarnen ärgern sich aber über den Töfflärm. Motorrad-Mechaniker Daniel Rohrer etwa lebt gut davon. Sein Geschäft läuft besser denn je – während der Pandemie, als Ferienreisen nicht möglich waren, hätten sich viele Leute einen Töff gekauft, sagt er.
Er habe zwar Verständnis für die Lärmklagen. Aber letztlich sei der Glaubenberg halt eine wunderschöne Passstrecke, die Leute aus der ganzen Schweiz anziehe, sagt er. «Und wer diese Leidenschaft fürs Töfffahren hat, für den klingen Motoren eben mehr nach Musik als nach Lärm.»