Das Ehepaar Constanze Jacke, 56, und Wolfgang Gerteisen, 65, hat eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Nachdem sich beide im März in einem französischen Skigebiet mit dem Corona-Virus anstecken, erkrankt Wolfgang Gerteisen schwer. Auch sechs Monate danach hat er sich noch nicht vollständig erholt. Um anderen Betroffenen zu helfen, gründet Constanze Jacke daraufhin den Verein «Leben mit Corona».
Als Wolfgang Gerteisen aus dem Koma erwacht, ist er abgemagert, wiegt nur noch 40 Kilogramm. Constanze Jacke erinnert sich, dass sie bei der ersten Begegnung nicht sicher gewesen sei, ob ihr Mann sie überhaupt erkennt.
Die Besuche waren der Wendepunkt.
Trotzdem sind die Besuche sehr wichtig, der Wendepunkt sozusagen, sind beide überzeugt. Die Besuche seiner Frau hätten ihm geholfen, weiterzukämpfen, sagt Wolfgang Gerteisen. Sechs lebensgefährliche Lungenentzündungen muss er durchstehen, seine Nieren drohen zu versagen. Dazu kommen schreckliche, surreale Alpträume: «Da waren Ängste, dass mich Ärzte falsch behandeln, dass sie mir irgendwelche Medikamente geben.»
Nach drei Monaten hat Wolfgang Gerteisen Covid-19 überwunden, gesund ist er noch nicht. In der Reha-Klinik wird er aufgepäppelt, in kleinen Schritten ins Leben zurückgeholt. Physiotherapie, Ergotherapie und psychologische Beratung helfen ihm dabei.
Konditionell bin ich bei 50 Prozent.
Ein halbes Jahr nach Ausbruch der Erkrankung, geht es Wolfgang Gerteisen besser, doch er kämpft immer noch mit den Folgen: «Ich habe mit der Atmung Probleme. Im Rachenraum entwickelte sich ein Schleim, der sehr lästig ist und das Atmen behindert.» Konditionell sei er bei 50 Prozent.
Die vollständige Genesung braucht Geduld
Dass es lange gehen kann bis zur Genesung nach einer schweren Covid-Erkrankung, beobachten auch Ärzte. Thomas Sigrist, Chefarzt und Pneumologe in der Reha-Klinik Barmelweid, hat seit dem Frühling rund 130 Covid-Patienten und Patientinnen in seiner Praxis behandelt.
Sigrist sagt, das Schicksal von Wolfgang Gerteisen sei kein Einzelfall, auch wenn viele Patienten wieder vollständig genesen würden. In jedem Fall sollte aber auch die Erholungsphase ärztlich begleitet werden «Gibt es Lungenschäden? Gibt es psychische Beeinträchtigungen? Gibt es andere Folgen für das Herz-Kreislaufsystem? Das muss man alles anschauen.»
Die Psyche leidet mit
Posttraumatische Belastungsstörungen, wie das Wolfgang Gerteisen mit Alpträumen und Flashbacks erlebt hat, würden auf die extreme, mentale Belastung in der Zeit auf der Intensivstation zurückgehen, sagt Daniela Gisler, Oberärztin an der psychiatrischen Klinik der Universität Zürich. Covidspezifisch seien, soweit man das heute wisse, gewisse Gefässerkrankungen. Wenn Gefässe im Gehirn betroffen seien, könne dies zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen führen. Noch fehlen dazu aber weitere Studien und belastbare Daten.
Für Constanze Jacke und Wolfang Gerteisen ist klar: Den Kampf gegen die Krankheit gewinnt man nur gemeinsam. Ihre Erfahrungen und ihr Wissen aus dem gemeinsamen Kampf wollen sie deshalb weitergeben. Constanze Jacke hat dazu den Verein «Leben mit Corona» gegründet.
«Entstanden ist die Idee, als ich meinen Mann auf der Intensivstation besucht und gesehen habe, wie hilflos und wie schwer krank er ist. Da habe ich mich gefragt, was passiert eigentlich mit den Menschen, die es schaffen, aus dieser schweren Erkrankung wieder ins Leben zurückzukehren?
Was passiert mit den Menschen, die von dieser schweren Erkrankung zurückkehren?
Constanze Jacke will so etwas zurückgeben, will, dass sich möglichst viele Leute gegenseitig unterstützen und das Leben bewältigen können – trotz Corona.