Deutschschweizer Kantone wollen verwahrten Schwerverbrechern eine menschenwürdigere Umgebung mit mehr Selbstbestimmung ermöglichen. Dazu sollen in geschlossenen Anstalten spezielle Abteilungen gebaut werden. Dort würden sie in kleinen Gruppen in einer Art Wohngemeinschaft zusammenleben.
So könnten sich die meist älteren Verwahrten etwas vom rauen Haftalltag zurückziehen, der von jüngeren Straftätern geprägt sei, sagt Benjamin Brägger, Sekretär des Justizvollzugkonkordats Nordwest- und Innerschweiz. «Nach Inhaftierungszeiten von 20 bis 30 Jahren ohne die Möglichkeit einer Entlassung sollen ihnen im hochgesicherten System bessere Lebensbedingungen gewährt werden», so Brägger.
Nicht alle eignen sich
Wer seine Strafe abgesessen hat, jedoch als nicht therapierbar und Gefahr für die Gesellschaft gilt, wird präventiv eingesperrt, eben verwahrt. Von den neuen Freiheiten könnten nicht alle der rund 150 Verwahrten in der Schweiz profitieren, betont Brägger: «Die Person muss physisch und psychisch in der Lage sein, sich in eine Gruppe zu integrieren. Zugleich muss sie konstruktiv mit den anderen Verwahrten zusammenleben können und wollen.»
Die Person muss physisch und psychisch in der Lage sein, sich in eine Gruppe zu integrieren.
Da kaum mehr jemand entlassen werde, gebe es in der Schweiz immer mehr Verwahrte, stellt Brägger fest. Das liege am höheren Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft und an der Risikoeinschätzung der Behörden.
Ziel der Kantone: humanere Bedingungen
Nun haben die Kantone ein Konzept für humanere Bedingungen für Langzeitverwahrte in Auftrag gegeben. Der Strafvollzug ist Sache der Kantone, jene der Nordwest- und Innerschweiz stünden hinter den Plänen, erklärt die Konkordats-Präsidentin, die Nidwaldner Mitte-Regierungsrätin Karin Kayser: «Es nützt der Gesellschaft ausserhalb der Vollzugseinrichtung überhaupt nichts, wenn diese Leute nicht menschenwürdig behandelt werden.»
Verwahrte sollen mehr Möglichkeiten bekommen.
Auch Anita Chaaban unterstützt mehr Freiheiten für Verwahrte. Sie hatte 2004 die Verwahrungsinitiative an der Urne durchgebracht und damit die lebenslange Verwahrung von extrem gefährlichen, nicht therapierbaren Sexual- und Gewaltstraftätern. Verwahrte sollen mehr Möglichkeiten bekommen, lässt sich Chaaban zitieren. Mehr will sie nicht sagen, sie habe sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Kritik an Kosten
Kritik aus bürgerlichen Kreisen bleibt nicht aus. Für SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann etwa tönen die Pläne der Kantone nach Sozialromantik auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Strafgefangene seien ohnehin extrem teuer und Verwahrte dann noch teurer. Mit 572 Franken täglich seien das Kosten wie im Fünfstern-Hotel.
Die Rede ist von 572 Franken pro Tag und Person. Das sind Kosten wie im Fünfstern-Deluxe-Hotel.
Auch für SVP-Nationalrat Lukas Reimann sprengt die neue Wohnform die bereits hohen Kosten. An der Verwahrungsinitiative sei mit aller Härte festzuhalten. «Schutz der Bevölkerung und Sühne haben Vorrang. Wir wollen keine Kuscheljustiz in der Schweiz.»
Entscheid im Frühling erwartet
Tatsächlich müsse für die neuen Freiheiten Geld investiert werden, entgegnet Konkordatspräsidentin Kayser. Aber die Investitionen würden sich auszahlen. «Dass die Leute dann friedvoller sind, weniger Therapien brauchen und ihr Gesundheitszustand besser ist, kann sich langfristig positiv auf die Kosten auswirken», so Kayser. Die Kantone werden voraussichtlich im nächsten Frühling über den Bau von Wohngruppen für Verwahrte entscheiden.