Das Wichtigste in Kürze
- Wer künstliche Ernährung braucht bei starkem Gewichtsverlust und eine entsprechende Verordnung durch den Arzt hat, darf die Trinknahrung nur bei einem sogenannten Homecare-Anbieter beziehen.
- Bei der Schweizerischen Gesellschaft für künstliche Ernährung ist eine Liste mit den 13 Homecare-Apotheken in der Schweiz erhältlich.
- Die Krankenkasse Sanagate lehnte die Kostenübernahme von rund 700 Franken ab, weil der Patient die Nahrung über eine normale Apotheke bezog – zum gleichen Preis wie in einer der Homecare-Apotheken.
Die Tochter des 80-jährigen Patienten versteht die Welt nicht mehr. Kann es sein, dass die Krankenkasse Sanagate ihrem Vater die Kostenübernahme einer verordneten Trinknahrung verweigert, nur weil sie diese in der falschen Apotheke bezogen hat?
Ihr Vater leidet an einer seltenen Krankheit, welche Auswirkungen auf den Schluckreflex hat. Er hat innert kürzester Zeit massiv an Gewicht verloren. Im Spital erhielt er deshalb bei seiner Entlassung ein Rezept für eine energiereiche Trinknahrung, «Resource 2.0 Fibre» von Nestlé.
Die Angehörige betont im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso»: «Ich habe den Arzt noch explizit gefragt, wo ich diese Drinks erhalten würde. Er erklärte mir, dass ich mit diesem Rezept in jede Apotheke gehen könne und die Krankenkasse die Kosten übernehmen würde.»
Krankenkasse lehnt ab – «aus Qualitätsgründen»
Die Krankenkasse des schwerkranken Mannes, Sanagate, beschied ihm, dass der Betrag für die Trinknahrung (für die ersten paar Wochen rund 700 Franken, Anm. d. Redaktion) nicht rückvergütet werde.
Sanagate schreibt dem Patienten: «Für die Kostenübernahme der künstlichen Ernährung sind zusätzlich die Richtlinien der Gesellschaft für klinische Ernährung (GESKES) in der Schweiz und der Bezug der Trinknahrung über einen Homecare-Anbieter massgebend.» Man habe zwar zur Kenntnis genommen, dass die medizinischen Voraussetzungen erfüllt seien. Der Bezug müsse aber aus Qualitätsgründen zwingend über einen Homecare-Anbieter erfolgen.
Was ist Homecare-Service?
Krankenkassen sind im Krankenversicherungsgesetz dazu verpflichtet, die Qualitätssicherung bei Leistungen zu garantieren. Bei der künstlichen Ernährung halten sich die Krankenversicherer an die Richtlinien der Gesellschaft für klinische Ernährung in der Schweiz. Diese Richtlinien sehen vor, dass Patienten mit künstlicher Ernährung durch einen Homecare-Service betreut werden sollen.
Vor allem bei Patienten mit künstlicher Ernährung über eine Sonde macht das selbstverständlich Sinn. Diese Menschen brauchen Hilfe und Betreuung. Auf dieser Liste sind 13 Apotheken in der Schweiz aufgelistet, welche Homecare-Anbieter sind.
Hilfreiche Links:
Hinter vorgehaltener Hand: «Diese Auslegung der Richtlinien ist kleinlich!»
Sanagate beharrt aus Gründen der Qualitätssicherung auch im konkreten Fall der Trinknahrung darauf, dass das Produkt bei einem Homecare-Anbieter bezogen werden müsse.
«Espresso» unterhält sich mit verschiedenen Leuten im Gesundheitswesen, welche mit der Thematik vertraut sind. Niemand will es öffentlich sagen, aber einige erklären hinter vorgehaltener Hand, dass Sanagate in diesem Fall die Richtlinien etwas zu genau, ja kleinlich genau einhalte.
Spital will Ablauf anpassen
Auf Anfrage von «Espresso» schreibt das betroffene Spital, man habe schlicht nicht realisiert, dass diese Trinknahrung von Nestlé ebenfalls bei einem Homecare-Service zu beziehen sei. Man werde die internen Prozesse entsprechend anpassen.
Happy End für den schwerkranken Mann? Ja!
Sanagate lenkt zu guter Letzt doch noch ein. Allerdings aus völlig neuen Gründen: Man habe entdeckt, dass man den Versicherten in einem Brief falsch informiert und ihm fälschlicherweise eine Kostenübernahme zugesagt habe. Dies sei ein Fehler gewesen. Aus diesem Grund übernehme Sanagate ihren Anteil an den ausstehenden 700 Franken für die künstliche Ernährung.