Für Zündstoff im Berner Kantonsparlament sorgte vor einem Jahr die Frage: Darf der Kanton Bern seine Gemeinden mit einer Änderung im Polizeigesetz zwingen, Brennpunkte wie die Reitschule mit Videokameras zu überwachen?
Gesetz nur knapp angenommen
Die Befürworter erhofften sich mehr Sicherheit im öffentlichen Raum, besonders bei der Reitschule, weshalb auch von der «Lex Reitschule» die Rede ist. Die Gegner argumentierten, der Kanton greife damit zu sehr in die Autonomie der Gemeinden ein – die Stadt Bern ist gegen eine Videoüberwachung.
Der Entscheid fiel damals knapp aus: mit 78 Ja- zu 75 Nein-Stimmen. Daraufhin wurde das Polizeigesetz entsprechend geändert, und seit August 2024 ist es in Kraft.
Getan hat sich seither nichts.
Noch keine Anträge eingegangen
Der kantonale Sicherheitsdirektor Philippe Müller hatte die Änderung des Polizeigesetzes 2020 mit einer Motion angestossen. Er sagt, bisher sei noch kein Antrag für eine Videoüberwachung eingegangen.
Es müsste eine Gewaltsituation geben, dann könnte der Kanton reagieren.
Darum gebe es auch «keine Bestrebungen», rund um die Reitschule oder sonst wo Kameras zu installieren. «Es müsste eine Gewaltsituation oder andere ernsthafte Vorkommnisse geben, dann könnte der Kanton reagieren.» Was eine Videoüberwachung bei der Reitschule kosten würde, dazu macht Müller keine Angaben.
Stadt und Kanton müssen Kosten teilen
In der Stadt Bern ist noch bis Ende Jahr Gemeinderat Reto Nause für die Sicherheit zuständig. Er rechnet mit Kosten von mehreren Millionen Franken für eine Videoüberwachung bei der Reithalle. Es brauche neben einem Projektierungskredit auch Ingenieure und technische Installationen, sagt er – und spricht aus Erfahrung.
Vor einigen Jahren wollte er den «Fanwalk» vom Bahnhof Wankdorf zum Gästesektor des Stade de Suisse mit Kameras überwachen lassen. Doch dieses Vorhaben scheiterte an den Kosten.
Ein Streit ums Geld droht nun auch mit der «Lex Reitschule»: Das revidierte Polizeigesetz hält fest, dass Kanton und Gemeinden die Kosten für eine Videoüberwachung je zur Hälfte tragen müssen.
Ich glaube nicht, dass das Stadtparlament den Kredit für eine Videoüberwachung gutheissen würde.
«Geht man von mehreren Millionen Franken aus, müssten die Kosten, die für die Stadt anfallen, zuerst vom Parlament bewilligt werden», sagt Nause. Dass das geschieht, sei in der Stadt unrealistisch: «Ich glaube nicht, dass unser Parlament, in der jetzigen Zusammensetzung, einen solchen Kredit gutheissen würde.»
Vom Gesetz zum Gerichtsfall
Nause rechnet damit, dass am Ende das Gericht entscheiden wird. Er sagt: «Sollte das Parlament tatsächlich das Geld verweigern, gehe ich davon aus, dass letztlich ein Gericht entscheiden muss, was höher gewichtet werden muss: die Finanzkompetenz der Gemeinde oder der kantonale Artikel zum Polizeigesetz.»
Philippe Müller, Sicherheitsdirektor des Kantons Bern, sieht das anders: «Die Kostenteilung steht im Gesetz, da kann der Stadtrat nichts dagegen unternehmen». Das heisst: Wenn der Kanton eine Videoüberwachung anordnet, dann müsste die Gemeinde diesem Auftrag Folge leisten.
So könnte es noch eine Weile dauern, bis die Reitschule tatsächlich mit Kameras überwacht wird.