Die Armee könne alle Rechnungen bezahlen und habe nicht mehr Rüstungsmaterial bestellt als sie bezahlen könne: So versuchte Bundespräsidentin Viola Amherd heute die Wogen zu glätten. Und sie hat einen Erfolg vorzuweisen: Sie hat neue Rüstungskäufe für 490 Millionen Franken durch den Bundesrat gebracht. Doch die Erklärungen der Verantwortlichen zum Liquiditätsengpass sind schwammig und zum Teil widersprüchlich.
Widersprüche bei Beschaffungen
Über die kommenden drei Jahre fehlen aufsummiert 1.4 Milliarden Franken, um Rüstungsprojekte innerhalb des geplanten Zeitrahmens zu beschaffen. Bundespräsidentin Amherd und ihr Verteidigungsdepartement betonen nun: Rund 70 Prozent der geplanten Investitionen in der Höhe von 1.4 Milliarden Franken «zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit» seien vertraglich noch nicht verpflichtet, Verzögerungen kein Problem. Es gebe im Moment keine Gespräche mit Lieferanten, um vertraglich vereinbarte Beschaffungen hinauszuschieben oder abzubrechen.
Doch unmittelbar nach Bekanntwerden des Liquiditätsengpasses klang es anders: Armeechef Thomas Süssli konnte vor zwei Wochen Abbrüche von Beschaffungsprojekten nicht ausschliessen. Sein Finanzchef Gerhard Jakob sagte damals: Man prüfe mit dem Bundesamt für Rüstung, wo man Zahlungen verschieben könne. Konkret wurde er beim Kampfjet F-35 und beim Luftabwehrsystem Patriot, für die Kaufverträge bestehen: «Man sucht mit dem US-Government Möglichkeiten, dass man Zahlungstranchen flexibler gestalten kann.»
Trotz Relativierung: Es drohen Fähigkeitslücken
Nun präsentieren das VBS und seine Vorsteherin ein anderes Bild. Anpassen müsse die Armee nur ihre Planung, nicht die Zahlungen. Nach hinten geschoben werden müssten allenfalls lediglich Rüstungsbeschaffungen, für die es noch keine Kaufverträge mit Lieferanten gebe. Das ist ein Widerspruch zu früheren Aussagen.
Doch auch die neue Darstellung unterstreicht das Problem: Die Armee kann vom Parlament bewilligte Rüstungskäufe nicht so rasch tätigen wie geplant. Die Verzögerungen haben Folgen für die Armee: Man könne die Planung nicht so umsetzen wie vorgesehen, sagte Rüstungschef Urs Loher: «Daraus entstehen möglicherweise Fähigkeitslücken.» Die Widersprüche erklärten die Beteiligten damit, dass unter Begriffen wie «Liquiditätsengpass» oder «Verhandlungen» nicht alle das Gleiche verstünden.
Kein Heer mehr? Amherd widerspricht Armeechef
Ebenfalls nach Bekanntwerden der Liquiditätsprobleme hat Armeechef Süssli die Öffentlichkeit aufgerüttelt mit der Warnung: Die Armee verliere ihr Heer, wenn das Armeebudget nicht stärker ansteige. Dies, weil nicht rechtzeitig Ersatz beschafft werden könne – zum Beispiel für die alternde Artillerie und alte Schützenpanzer.
Von dieser drastischen Warnung distanzierte sich heute seine Chefin Amherd: «Das Heer wird es auch in Zukunft geben. Es kann temporäre Lücken in der Leistungsfähigkeit geben, aber das haben wir in verschiedenen Bereichen der Armee.»
Die Warnung des Armeechefs könnte der Verteidigungsministerin trotzdem geholfen haben: Der Gesamtbundesrat hat nicht nur zusätzliche Rüstungskäufe unterstützt, sondern die Armee auch von Kürzungen gegenüber der bisherigen Finanzplanung verschont. Gut möglich, dass die Diskussionen über den Liquiditätsengpass dazu beigetragen haben. Das Problem aber bleibt: Die Armee hat sich vom Parlament Rüstungsgüter bewilligen lassen, die sie wegen Liquiditätsproblemen nicht so rasch wie geplant beschaffen kann.