Eigentlich wäre der Auftrag an die kantonalen Arbeitsinspektorate klar: Bereits im Sommer schrieb ihnen der Bund vor, Firmen verstärkt zu kontrollieren. Sie müssen vermehrt überprüfen, ob und wie Arbeitgeber die Corona-Schutzmassnahmen vor Ort umsetzen. Immerhin passieren Corona-Ansteckungen am dritthäufigsten bei der Arbeit.
Kontrollen sind also unbedingt nötig. Das zeigt auch der «Kassensturz»-Bericht über eine Grossbäckerei, in der sich wegen teils mangelnder oder ungenügend umgesetzter Schutzmassnahmen diverse Mitarbeiter mit Corona ansteckten.
Ein Qualitäts- und Sicherheitsmanager, der regelmässig Einsicht in Betriebe hat, bestätigt den Mangel an Kontrollen ebenfalls: «Geht man auf Kundenbesuch, sieht man, dass nicht alle vorgeschriebenen Massnahmen eingehalten werden. Der Sicherheitsabstand stimmt nicht, Masken werden falsch oder überhaupt nicht getragen.» Darauf angesprochen würden die meisten Betriebe abwinken und meinen, das reiche aus. Er ist überzeugt: «Viele Unternehmen nähmen die Angelegenheit ernster, gäbe es mehr Kontrollen.»
Weniger statt mehr Kontrollen
Solche Kontrollen gibt es wohl. Doch Erhebungen des Bundesamtes für Gesundheit in öffentlich zugänglichen Betrieben zeigen: Die Arbeitsinspektorate haben ihre Kontrolltätigkeit in den letzten Monaten alles andere als verstärkt. In der Nahrungsmittel-Industrie kontrollieren Arbeitsinspektorate sogar noch weniger. Gesamtschweizerisch sind Ende Juli mit 112 Kontrollen pro Woche die meisten Lebensmittelbetriebe überprüft worden. Seit August sind es im Schnitt lediglich 60 Betriebe.
Seit Jahren mangelt es an Geld und Personal
Was läuft schief? Für Sabine Steiger-Sackmann, Dozentin für Arbeitsrecht an der ZHAW, liegt das Problem auf der Hand: Häufig seien die Arbeitsinspektorate in den Volkswirtschaftsdirektionen angesiedelt. Im Vordergrund stehe da die Förderung der Wirtschaft; der Gesundheitsschutz werde eher als Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit empfunden. «Und so kommt es, dass es den Arbeitsinspektoraten an Geld und Personal mangelt und sie nicht ausreichend kontrollieren können.» Das sei seit Jahren so und spitze sich jetzt in der Krise noch zu.
«Jeder Betrieb kann nicht kontrolliert werden»
Das verdeutlicht auch der Besuch bei Beat Bachmann, Arbeitsinspektor im Kanton St. Gallen. Er erzählt «Kassensturz», dass hier insgesamt neun Inspektoren seit April rund 1000 Kontrollen durchgeführt hätten. Das mag im ersten Moment nach viel klingen. Doch in seine Zuständigkeit fallen rund 23'000 Firmen.
Jeden Betrieb im Kanton zu kontrollieren sei unmöglich, sagt Bachmann. Darum müsse man «risikobasiert» vorgehen, also die Betriebe mit dem grössten Risiko zuerst kontrollieren. Ob sein Arbeitsinspektorat personell unterdotiert sei, will Abteilungsleiter Beat Bachmann nicht beurteilen. Er betont aber: «Ich bin felsenfest überzeugt, dass wir unsere Verantwortung im Bereich dieser Kontrollen wahrnehmen.»
Der gute Wille ist sicher da. Doch damit alle Betriebe die Corona-Schutzmassnahmen richtig umsetzen, braucht es mehr Druck, also mehr Kontrollen.
Wie die Kantone dazu stehen, erklärt Urban Camenzind, Vizepräsident der Volkswirtschaftsdirektoren-Konferenz, im «Kassensturz»-Studio:
Welche Massnahmen wünschen Sie sich von ihrem Arbeitgeber? Werden die Massnahmen auch umgesetzt? Sagen Sie es uns in den Kommentaren.