Zum Inhalt springen

Mangel an Fachkräften Ohne Pflegepersonal bringen auch mehr Intensivbetten nichts

Mehr Intensivbetten in den Spitälern, und dafür die Massnahmen lockern? So einfach ist es nicht, sagen Fachleute.

Auf den Schweizer Intensivstationen hat das Pflegepersonal wieder alle Hände voll zu tun. Die Zahlen belegen das: Von den 850 zertifizierten Intensivbetten sind 660 belegt, also mehr als drei Viertel. Und von all diesen Betten sind 264 mit Corona-Patientinnen und -Patienten belegt.

Dazu kommt: Laut der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin können gar nicht alle zertifizierten Intensivbetten betrieben werden – weil das Fachpersonal fehlt.

Abgänge während der Pandemie

Dazu eine weitere Zahl, die Yvonne Ribi, die Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbandes der Pflegefachpersonen, erstmals am Dienstagabend gegenüber SRF genannt hatte. «Gemäss Schätzungen von Expertinnen aus der Intensivpflege haben wir einen Rückgang von rund zehn bis fünfzehn Prozent bei Pflegenden mit einer Spezialausbildung in Intensivpflege. Das heisst, die Personaldecke auf den Intensivstationen ist dünner geworden als noch zu Beginn der Pandemie.»

Und hier sind wir beim Kern des Problems. So hatte etwa die SVP am Dienstag vorgeschlagen, die Zahl der Intensivbetten auf 1200 bis 1300 zu erhöhen. Das gehe aber nicht so einfach, widerspricht Anne Bütikofer, die Direktorin des Spitalverbandes H+. «Die Zahl der Intensivbetten mit Ad-Hoc-Betten zu erhöhen wäre nicht das Problem. Es fehlt das Fachpersonal, um solche Betten zu betreuen.»

Für Intensivstationen braucht es normalerweise gut qualifiziertes Pflegepersonal mit einer speziellen Fachausbildung. Zwar hatte die Schweiz in den ersten beiden Corona-Wellen noch mehrere Hundert nicht-zertifizierter Ad-Hoc-Intensivbetten geschaffen. Dort wäre aber laut Fachleuten die Behandlungsqualität niedriger gewesen.

Yvonne Ribi vom Berufsverband des Pflegepersonals ergänzt: «Selbstverständlich kann man sich mit Kurzausbildungen Kompetenzen aneignen.» Das hätten einige Institutionen auch gemacht und Leute aus anderen Bereichen geschult, um die Intensivstationen während einer Welle zu unterstützen. «Dieses Personal fehlt dann aber zum Beispiel auf der Anästhesie, im Operationsbereich oder auf den Abteilungen.»

Die Diskussion wird weitergehen

Mittelfristig muss es also darum gehen, wieder mehr Frauen und Männer zu gewinnen, die bereit sind, als Pflegefachpersonen auf Intensivstationen zu arbeiten. Über den richtigen Weg dahin wird es noch viele Diskussionen geben – das wird schon bald die Abstimmung über die Pflege-Initiative zeigen.

Und was hilft kurzfristig? Die Fachleute sagen: Je mehr Leute geimpft sind, desto weniger Corona-Patienten landen auf den Intensivstationen. Aber auch dieses Thema polarisiert.

Echo der Zeit, 01.09.2021, 18 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel