Landauf, landab sind die Schulen am Limit – und das hat nicht nur mit den vielen ukrainischen Kindern zu tun, die eingeschult werden müssen. Denn wegen des ohnehin grassierenden Lehrermangels ist der Stellenmarkt komplett ausgetrocknet.
Alleine im Kanton Bern sind aktuell über 500 Stellen nicht besetzt. Schweizweit fehlen laut Schätzungen 6000 Lehrkräfte.
Die Gründe für den Mangel: Viele Lehrkräfte aus den Babyboomer-Jahren gehen in Pension. Zudem werden generell zu wenig Lehrerinnen ausgebildet.
Ohne Studierende läuft nichts mehr
Ländliche Schulen wie jene in Lauperswil im Emmental leiden unter dem Personalmangel besonders. «Auf Stellenausschreibungen haben wir über Wochen keine einzige Rückmeldung erhalten», sagt Co-Schulleiter Daniel Gebauer.
Ohne die Studierenden könnten wir den Schulbetrieb nicht mehr aufrechterhalten und müssten Klassen zusammenlegen
Vier der 35 Lehrpersonen in Lauperswil sind Studierende der Pädagogischen Hochschule (PH), die noch über kein Diplom verfügen. «Ohne die Studierenden könnten wir den Schulbetrieb nicht mehr aufrechterhalten und müssten Klassen zusammenlegen», führt Gebauer aus.
Viele unterrichten bereits neben ihrer Ausbildung. Sie können die Lehrerinnen-Lücke nicht mehr stopfen. Deren Potenzial sei langsam ausgeschöpft, sagt Yves Brechbühler, Sprecher der Berner Bildungsdirektion. «Es geht darum, Quer- und Wiedereinsteigerinnen zu motivieren, als Lehrperson tätig zu sein.»
Bereits unterrichten im Kanton Bern 1500 Lehrer ohne Diplom – bei total 15'000 Lehrerinnen. Neben den Studierenden sind dies etwa nur im Ausland diplomierte Lehrer oder Kleinkindererzieherinnen. Sie erhalten 20 Prozent weniger Lohn als ein ausgebildeter Lehrer.
Eltern müssen sich aber bewusst sein, dass wir teilweise nur noch die Kinderbetreuung abdecken können, nicht aber den Unterricht an sich
So etwa eine gelernte Kinderkrankenschwester, die vor drei Jahren als Assistentin in einem Berner Kindergarten startete. Inzwischen hat sie die Klasse mit einem 50-Prozent-Pensum übernommen. Einerseits sei sie glücklich darüber und blühe auf. Anderseits sei sie Lehrerin, obschon sie dies gar nicht gelernt habe. «Ich frage mich manchmal, was ich überhaupt in dieser Schule mache», sagt die Frau zu SRF, die anonym bleiben möchte.
Qualität des Unterrichts leidet
Kurzfristig entlasten die Quereinsteigerinnen die Schulen: «Eltern müssen sich aber bewusst sein, dass wir teilweise nur noch die Kinderbetreuung abdecken können, nicht aber den Unterricht an sich», sagt Nathalie Scheibli, Schuleiterin der Langenthaler Kindergärten.
Auch Gebauer ist nicht gerade begeistert: «Der Unterricht hat nicht die gleiche Qualität, wie wenn eine qualifizierte Lehrperson die Anstellung übernehmen würde. Da bleibt ein ungutes Gefühl zurück».
Lehrer zurück auf die Schulbank
Darum streben sowohl die Schulen wie der Kanton an, dass die nicht diplomierten Lehrpersonen die Ausbildung nachholen. So wie etwa der Musiker Gabriel Wenger, der Musik unterrichtet. Trotz seines Fachwissens erlebte er als Neo-Lehrer Überraschungen: «Ich war schon blauäugig. Wie lernen Schüler? Besonders die Unterrichtsvorbereitung war für mich eine Blackbox.»
Darum will er sich in Pädagogik weiterbilden und absolviert derzeit einen konsekutiven Master. Dies ist ein Angebot, bei dem Quereinsteiger mit Bachelor-Diplom eine verkürzte Lehrerausbildung machen können.
Für die Kinderkrankenschwester und Mutter von vier Kindern kommt eine Vollzeitausbildung nicht infrage. Eine verkürzte Ausbildung ist für den Berufsverband Bildung Bern aber keine Option, wie Anna-Katharina Zenger sagt: «Hände weg von irgendwelchen Nachmittagskursen. Denn schon im Kindergarten erleben Lehrpersonen hochkomplexe Unterrichtssituationen».