Lange Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen in Zürich, Bern oder Genf. Diese Bilder kennt man. Die Nachfrage ist hoch, das Angebot knapp. Doch Wohnraum ist längst nicht nur in den Agglomerationen Mangelware. Auch im Kanton Graubünden ist das Thema in den letzten Monaten heiss diskutiert worden.
Nun hat das Wirtschaftsforum Graubünden den Wohnungsmangel in einer Studie unter die Lupe genommen. Die Forschenden sind zum Schluss gekommen, dass der Wohnraum in den meisten Bündner Regionen knapp ist.
Besonders betroffen seien touristische Regionen wie das Oberengadin oder die Region Davos, sagt Studienautor Peder Plaz. Mit der Wohnungsnachfrage habe der Wohnungsbau dort in den letzten Jahren nicht mithalten können.
Demografie ist entscheidend
Das Wirtschaftsforum illustriert dies am Beispiel Davos. Zwischen 2011 und 2019 hat die erwerbstätige Bevölkerung um rund 500 Personen abgenommen. Gleichzeitig ist die Zahl der Arbeitsplätze aber um gut 500 gestiegen.
Das bedeutet, dass in dieser Zeitspanne 1000 Personen zusätzlich nach Davos pendeln oder die Stellen durch Saisonarbeitende besetzt werden mussten. Dass die Menschen zwar einen Job im Ort haben, aber kaum eine Wohnung finden, liege zu einem grossen Teil an der Demografie, bilanziert die Studie.
Geht jemand in Pension, dann gibt er zwar einen Arbeitsplatz frei, blockiert aber weiterhin eine Wohnung.
Der Anteil der über 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung sei heute deutlich höher als noch vor zehn Jahren. Das heisst übersetzt: mehr Wohnungen werden durch Frauen und Männer bewohnt, die nicht mehr arbeiten und im Ruhestand sind.
«Geht jemand in Pension, dann gibt er zwar einen Arbeitsplatz frei, blockiert aber weiterhin eine Wohnung», erklärt Plaz. Die neue Person, die den Job übernimmt, müsste eigentlich eine neue Wohnung haben, werde die nicht gebaut, habe man einen Wohnungsmangel.
Der knappe Wohnraum behindere Arbeitskräfte, sich vor Ort niederzulassen und verschärfe den Arbeitskräftemangel, so das Fazit der Untersuchung. Unter dem Strich hat das Wirtschaftsforum errechnet, würden in einem Teil des Bündner Berggebiets 1000 bis 2500 Wohnungen fehlen.
Problem dürfte grösser werden
Einen weniger grossen Effekt auf die Wohnungsknappheit haben offenbar bis jetzt Umnutzungen älterer Wohnungen in Zweitwohnungen. Sollte dies aber weiterhin praktiziert werden oder gar vermehrt geschehen, dann sehe es anders aus. «Das summiert sich und könnte zu einer Gefahr werden», urteilt Studienautor Plaz.
Der Wohnungsbedarf dürfte in Graubünden weiter steigen, sagt Peder Plaz. Wie stark sich die Wohnungsknappheit verschärfe, das hänge neben den erwähnten Faktoren auch davon ab, wie viele zusätzliche Wohnungen in den nächsten Jahren gebaut würden.
Das könnte zu einer Gefahr werden.
Das Wirtschaftsforum verzichtet darauf, Vorschläge zu machen, wie die Gemeinden dem Problem begegnen könnten. Die Möglichkeiten seien bekannt und würden bereits diskutiert. Davos hat beispielsweise kürzlich eine Wohnraumstrategie verabschiedet, die helfen soll, dass mehr Wohnungen gebaut werden.