Marcel Dettling wird an der SVP-Delegiertenversammlung am 23. März aller Voraussicht nach zum neuen Präsidenten der SVP gewählt: Der Bauer aus dem Kanton Schwyz ist der einzige, der für das Amt kandidiert. Am Wochenende äusserte er sich in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» ausführlich und pointiert zum Thema Klimawandel – und löste auf Social Media mit seinen Aussagen viel Unverständnis aus – auch unter Politikerkollegen.
In diesem Interview stellt Dettling den Klimawandel mehrheitlich als etwas Positives dar. So sei es ihm persönlich etwa lieber, wenn es wärmer ist. Und: Den Bauern würde der Klimawandel ja eigentlich helfen. Weiter zweifelt Dettling daran, dass der Mensch den Klimawandel massgeblich verursacht. Massnahmen wie Preiserhöhungen von Treibstoff und Strom gegen den Klimawandel bezeichnet er als «Scharlatanerie». Denn der Klimawandel lasse sich nicht aufhalten, es ginge jetzt darum, dass die Menschheit sich dem wandelnden Klima anpasse – wie sie es immer schon getan habe.
ETH-Professor Reto Knutti, einer der führenden Klimaforscher der Schweiz, ordnet die wichtigsten Aussagen von Marcel Dettling ein.
Aussage 1
Wenn man jetzt einfach dem Menschen die Schuld an der Klimaerwärmung gibt, ist das eine neue Form der Hexenjagd.
In den Aussagen von Dettling wird klar: Er bezweifelt, dass der Mensch der Hauptverursacher des Klimawandels ist. Vielmehr habe es schon immer Klimaveränderungen gegeben, wir müssten uns halt damit arrangieren. Dazu sagt Klimaforscher Knutti: «Der Klimawandel heute ist praktisch zu 100 Prozent vom Menschen verursacht, darüber ist sich die Forschung seit langem einig.»
Die physikalischen Grundlagen des Treibhauseffekts seien seit über 100 Jahren bekannt. Laut Knutti habe die Wissenschaft bereits in den 1950er-Jahren die Regierungen erstmals vor dem Klimawandel gewarnt. «Die Beobachtungen sind mittlerweile derart eindeutig, dass es wissenschaftlich keine Diskussion mehr gibt, dass der Mensch den Klimawandel verursacht.»
Aussagen 2
Eine Diskussion über Gut oder Schlecht bringt nichts, wir können den Klimawandel nicht aufhalten.
Man verteuert den Strom, den Treibstoff und hat das Gefühl, damit das Klima zu ändern. Das ist Scharlatanerie. (...) Solche Massnahmen werden kaum etwas bringen.
«Das ist faktisch falsch», sagt Knutti zur Aussage, dass wir den Klimawandel nicht aufhalten könnten. Richtig sei zwar, dass der Klimawandel nicht mehr rückgängig gemacht werden und das Klima zum Beispiel nicht auf einen Zustand von 1900 zurückgedreht werden könne. Aber: «Die zukünftige Klimaänderung wird vollständig durch die zukünftigen Emissionen bestimmt. Wenn wir also heute den CO₂-Ausstoss weltweit stoppen würden, könnten wir den Klimawandel auf dem jetzigen Niveau begrenzen.»
Somit liegt es laut Knutti an unserem jetzigen und künftigen Verhalten, auf welchem Niveau wir die Erderwärmung begrenzen wollen. Von heute auf morgen kann der CO₂-Ausstoss natürlich nicht komplett reduziert werden. Und die Schweiz kann das nicht alleine bewerkstelligen. Vieles deute aber darauf hin, dass die notwendige technische und wirtschaftliche Transformation der Gesellschaft, um den Klimawandel zu stoppen, funktionieren könnte. «Es ist auch ein Problem des politischen Prozesses.»
Aussage 3
Für die Bauern ist die Klimaerwärmung nicht schlecht. (...) Wir können neue, gegen die Dürre resistentere Sorten züchten, die Wasserfassungen ausbauen und vieles mehr.
«Das ist weitgehend falsch», sagt Knutti. Eine um ein halbes Grad höhere Temperatur führe bei vielen Pflanzen zwar zu einem etwas schnelleren Wachstum. Bei einer Zunahme der Temperatur von vier Grad werde es aber vielen Pflanzen, die in der Schweiz angebaut werden, zu heiss. «Irgendwann wachsen dann zum Beispiel keine Kartoffeln mehr.»
Problematisch sei zudem vor allem die zunehmende Trockenheit: Es regnet weniger, die Verdunstung steigt. Das führt zu Ernteeinbussen. In Hitzesommern wie etwa 2022 leide die Landwirtschaft entsprechend stark. Vor allem die Futtermittelproduktion ist anfällig auf Wassermangel. So zeigt eine Untersuchung der Raufuttererträge von 1990 bis 2021 von Agroscope und dem Schweizer Bauernverband (SBV), dass in Hitzesommern die Trockenheit auf Wiesen und Weiden Ertragsverluste von 30 bis 40 Prozent verursacht. Es ist gemäss Knutti unmöglich, die Trockenheit flächendeckend mit Bewässerung zu bekämpfen. «Dafür fehlt uns das Wasser.» Mit Ausnahme des Weinbaus sei in der Landwirtschaft wegen der Trockenheit praktisch überall mit negativen Auswirkungen zu rechnen.
Für Präzisierungen zu seinen Aussagen im Interview mit der «NZZ am Sonntag» war Marcel Dettling heute für SRF nicht erreichbar.