Der Nationalrat will nichts ändern im Schweizer Tierschutz. Nach stundenlanger Debatte lehnte er alle Vorschläge für Anpassungen ab. Weder die Volksinitiative «keine Massentierhaltung in der Schweiz» noch der Gegenvorschlag des Bundesrats fanden eine Mehrheit. Das dürfte sich im Ständerat und in der Volksabstimmung wiederholen.
Damit scheiterte ein weiteres Bemühen, in der Schweiz das Tierwohl noch mehr zu schützen. Die Hauptargumente dagegen: Weil die Massentierhaltung sowieso schon verboten sei, weil die Schweiz ein sehr strenges Tierschutzgesetz kenne und weil man im Vergleich zum Ausland sehr tiefe Belegungszahlen für die Ställe habe. Letztere seien einzigartig, das sagt sogar der Schweizer Tierschutz STS.
Eine Gruppe aus Grünen, SP und Grünliberalen hatte die Niederlage kommen sehen und zimmerte einen «Kompromissvorschlag». Mit Abschwächungen wollten sie den Gegenvorschlag doch noch retten, ihm die «Zähne ziehen», wie Grünen-Nationalrat Kilian Baumann sagte. Doch der Besuch beim Zahnarzt kam nicht zustande.
Probleme bei Hühnermast beobachtet
An der Debatte lag es nicht, Gegner und Befürworterinnen kämpften mit leidenschaftlichen Voten für ihre Anliegen. So konterte die Grüne Regula Rytz den oft gehörten Einwand, dass das Ausland ja noch viel schlimmer sei, mit dieser Rechnung: Ein Säuli in der Schweiz könne in Vergleich zu einem deutschen Schwein lediglich eine Zusatzfläche in der Grösse eines Taschentuchs belegen.
Der Schwyzer Landwirt und SVP-Nationalrat Marcel Dettling schwärmte dem Rat dagegen vor, dass praktisch alle Tiere in der Schweiz über Familienanschluss verfügten. Ein flächendeckendes Problem mit Tierfabriken, wie es die Initiative suggeriert, sehen weder STS noch das Bundesamt für Veterinärwesen BLV. Aber sie beobachten solche Tendenzen bei der Hühnermast.
Ein Geflügelbauer darf Mastpoulets mit einem Gesamtgewicht von 30 Kilogramm auf einem Quadratmeter halten, das sind etwa 15 Tiere. Auslauf ist im Gesetz kein Thema. Die Küken werden innerhalb von 30 Tagen auf zwei Kilo hochgemästet. Der schwere Körper behindert sie beim Laufen, sie haben Schmerzen.
Verstösse gegen Tierschutzvorschriften
Es sind Tendenzen, die das Parlament allerdings nicht zum Handeln bringen. Muss sich also wirklich nichts ändern? Tierhalter werden alle vier Jahre kontrolliert. Bei 13 Prozent der Kontrollen werden die Vorschriften nicht eingehalten. Auch daran sieht man, es gibt Vollzugsprobleme. Offenbar tun sich einige Tierhalterinnen und Tierhalter schwer mit den Tierschutz-Regeln – ein Bereich, bei dem man ansetzen müsste.
Ob diese Vollzugsprobleme mit der Einführung des Bio-Standards gelöst wären, wie es die Initiative fordert, ist mehr als fraglich. Zuerst müssten tierfreundlichere Labelprodukte einen grösseren Markt finden. IP Suisse, Terra Suisse, Naturafarm oder Bio sind immer noch Nischenangebote. Dies auch deshalb, weil die Konsumentinnen und Konsumenten überfordert sind mit den preislich sehr unterschiedlichen Angeboten.
Deshalb braucht es mehr Aufklärung zum teureren Produkt, dann wird auch mehr davon gegessen. Dazu müssen die Produzenten für ihren Aufwand fair entschädigt werden, Anreize schafft der Staat schon heute mit Direktzahlungen.
Doch damit ist nicht jedes Problem gelöst: Wer tierfreundlich produziert, muss es richtig machen. Denn auch auf Bio-Bauernhöfen trifft man manchmal Tiere, die in ihrem eigenen Dreck stehen. Als Konsumentin oder Konsument sieht man dann nur einen Ausweg: weniger oder gar kein Fleisch essen.