Tourismus ist für viele Regionen in der Schweiz ein wichtiges Geschäft. Aber was, wenn es einfach zu viel wird? Dieses Problem hat zum Beispiel Lauterbrunnen im Berner Oberland. Der Gemeinderat hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die nach neuen Möglichkeiten sucht, wie sich die Massen besser bewältigen lassen.
Das ist neu: Eine Idee ist nun, eine Gebühr zu verlangen für Tagestouristinnen und -touristen, die mit dem Auto kommen. Das haben Tamedia-Zeitungen berichtet. Ausgenommen seien Gäste, die ein Hotel oder einen Ausflug gebucht haben, sagte Gemeindepräsident Karl Näpflin gegenüber den Zeitungen.
Wir müssen ehrlich sein: 90 Prozent der Massnahmen sind Symptombekämpfung.
Idee im Detail: Wer in Lauterbrunnen künftig mit dem Auto anreist, soll dem Bericht zufolge zwischen fünf und zehn Franken bezahlen. Das Ticket könnten die Besuchenden mit einer Info-App auf dem Smartphone kaufen. Vor Ort gebe es Kontrollen per Stichprobe. Allerdings dürfte das Regime diesen Sommer noch nicht gelten. Es brauche noch zusätzliche Abklärungen, schreiben die Zeitungen.
Gedämpfte Erwartungen: Gemeindepräsident Näpflin räumt ein, das grundsätzliche Problem – verstopfte Strassen, überfüllte Mülltonnen und gestresste Einheimische – löse man damit nicht: «Wir müssen ehrlich sein: 90 Prozent der Massnahmen sind Symptombekämpfung», erklärte er den Tamedia-Journalisten.
Vor allem die preissensitiven Gäste werden darauf reagieren und Lauterbrunnen links liegen lassen.
Einschätzung eines Experten: Ist die Idee, eine Gebühr für Touristinnen und Touristen zu verlangen, die mit dem Auto anreisen, sinnvoll? Tourismus-Experte Jürg Stettler von der Hochschule Luzern sagt: «Die Massnahme ist insofern sinnvoll, als Lauterbrunnen vor allem unter Tagesbesucherinnen und -besuchern leidet, die mit dem Auto anreisen.» Genau auf diese Gästegruppe sei die Massnahme ausgerichtet.
Erhoffte Auswirkung: Grundsätzlich werden mit der Einführung einer solchen Gebühr laut Stettler die Besuche zurückgehen. Sie habe eine «Signalwirkung». Vor allem die Preissensitiven, also jene, die stark auf Preisschwankungen reagieren, könnten künftig Lauterbrunnen auslassen. Ob allerdings diese fünf bis zehn Franken tatsächlich die gewünschten Auswirkungen haben werden, sei offen.
Höhe der Gebühr: «Es ist sicher ein guter Einstieg», hält Tourismus-Experte Stettler fest. Die Gebühr sei moderat und deshalb angebracht, um das Vorhaben erst einmal zu testen. Da Lauterbrunnen die Gebühr digital erheben will, kann die Gemeinde sie bei Bedarf auch anpassen: «In der Hochsaison oder am Wochenende, wenn am meisten Besucher zu erwarten sind, könnte die Gebühr höher sein als ausserhalb der Saison oder unter der Woche», so Stettler.
Das Erfolgsrezept: Die eine, richtige Lösung gibt es nicht, sagt Stettler. Die Massnahmen müssten ortsspezifisch und situationsspezifisch sein. Es seien diejenigen Orte, die eine langfristige Planung hätten und nicht – wenn die Touristen bereits kommen – einzig über Besucherlenkungen die Probleme lösen wollen. Das Erfolgsrezept sei: frühzeitig, vorausschauend und unter Einbezug aller Akteure reagieren – nach dem Vorbild Amsterdams. «Früher hatten sie eine Marketingorganisation. Heute ist es eine Organisation, die primär mit den Anspruchsgruppen zusammenarbeitet, um gemeinsam eine touristische Entwicklung zu erreichen, die im Einklang mit den Interessen der verschiedenen Akteure und der Bevölkerung ist.