Nur noch wenige Wochen, bis das neue Schuljahr beginnt. Doch im Kanton Bern sind Lehrpersonen Mangelware. Und so kommt es, dass rund 3000 Personen ohne Lehrdiplom unterrichten werden.
Damit ihnen der Einstieg leichter fällt, bietet die Pädagogische Hochschule Bern ein zweiwöchiges Sommercamp an, in dem die Neulinge Antworten auf ihre drängendsten Fragen bekommen. Zum Beispiel: Welches ist der aktuelle Lehrplan? Oder: Welche Lehrmittel muss ich verwenden? Daneben erhalten die Teilnehmenden zahlreiche Unterlagen für den Unterricht.
Denn: Für sie ist alles neu – unterrichtet hat zuvor noch niemand.
Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie nach den Sommerferien eine Anstellung als Lehrerin oder Lehrer haben – dies ist die Voraussetzung für das Sommercamp.
Vom Banker zum Lehrer
Einer, der daran teilnimmt, ist der 53-jährige Pascal Bur. Nach 22 Jahren als Banker musste er sich nach einer Kündigungswelle neu orientieren. Nun wird er nach den Sommerferien Klassenlehrer einer 3./4. Klasse im Berner Seeland.
«Die grösste Herausforderung ist die Planung », sagt Bur. «Weil ich keine Erfahrung habe, frage ich mich: Habe ich genügend Stoff zum Vermitteln? Wie werde ich dem einzelnen Kind gerecht?»
Diese Fragen treiben auch Isabelle Hofmann um. Die 38-jährige HR-Spezialistin wird künftig Französisch und Schwimmen unterrichten. «Ich stelle es mir schwierig vor, unterschiedlichste Kinder auf ein gleiches Niveau zu bringen», sagt sie. Darum schätze sie das Sommercamp. «Die Inputs der Dozierenden und der Austausch mit anderen helfen mir sehr.»
Camp ist «keine Schnellbleiche»
Genau diese Unterstützung sei das Hauptziel dieser zwei Wochen, sagt Andrea Meuli, der das Sommercamp leitet: «Wir möchten Personen, die eine Anstellung gefunden haben, minimal befähigen, damit sie den Unterrichtsstart schaffen.» Gleichzeitig wolle man Schulleitungen und Lehrpersonen entlasten, welche sonst die Einführung übernehmen müssten.
Das Sommercamp, sagt Meuli, sei jedoch keine «Schnellbleiche». Vielmehr gehe es um eine minimale Starthilfe – «danach gibt es noch ganz viel zu tun».
Um eine qualifizierte Lehrperson zu sein, führt kein Weg am Studium vorbei.
Nur: Reichen zwei Wochen als Starthilfe? «Die Alternative ist: gar nichts haben – und das ist für uns keine Alternative», sagt Meuli. Aber klar sei: «Um eine qualifizierte Lehrperson zu sein, führt kein Weg an einem Studium vorbei.»
Zukunftsziel: das Studium
Das sieht auch Dagmar Rösler vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz so. Ein Sommercamp ersetze kein Studium. «Der Lehrberuf ist so vielschichtig, das kann man nicht in einem Schnellkurs durchnehmen.» Aber, fügt sie an, die Teilnehmenden könnten dazu ermuntert werden, zu einem späteren Zeitpunkt ein Studium zu machen.
Für Isabelle Hoffmann und Pascal Bur ist ein Studium an einer pädagogischen Hochschule aktuell kein Thema. Hoffmann hat zwei kleine Kinder und neben der Stelle als Lehrerin noch einen zweiten Job – für ein Studium bleibt keine Zeit. Pascal Brun wiederum betont den finanziellen Aspekt: «Während eines Studiums könnte ich nur Teilzeit arbeiten.»
Ob das Sommercamp nicht-diplomierte Lehrpersonen tatsächlich ins Studium lotsen kann, diese Frage bleibt offen. Fest steht: Es bietet eine Starthilfe – und macht vielleicht, dass das Herzklopfen am ersten Schultag nicht ganz so gross ist.